Kieler Erinnerungstag:14. August 1865
Kiel wird eine geteilte Stadt

1864 besetzen Bundestruppen die Stadt Kiel





Am 14. August 1865 unterzeichneten Preußen und Österreich die Konvention von Bad Gastein. Für Kiel entstand dadurch eine absonderliche Situation: Es war eine zweigeteilte Stadt. Preußen und Österreich hatten jeweils in bestimmten Teilen der Stadt Truppen stationiert.

Schleswig-Holstein unter preußischer und österreichischer Verwaltung

Diese für die Kieler Stadtgeschichte bemerkenswerte Situation war nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 entstanden. Durch die Niederlage Dänemarks gegen Preußen und Österreich 1864 und nach dem Wiener Frieden musste Dänemark alle seine Rechte in den Herzogtümern Schleswig, Holstein und Lauenburg zugunsten des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen aufgeben. Damit war die Verbindung der Elbherzogtümer mit dem dänischen Staat gelöst. Preußen und Österreich übten nun die Regierungsgewalt in den Herzogtümern durch zwei Regierungskommissare gemeinsam aus. Dieses Kondominium war aber durch die preußisch-österreichische Rivalität belastet. Bismarck wünschte die Annexion Schleswig-Holsteins für Preußen, Österreich dagegen ein vereinigtes Herzogtum unter den Augustenburgern im Rahmen des Deutschen Bundes. Der Konflikt der Bundesgenossen von 1864 schien unvermeidlich.

Die Gasteiner Konvention vom 14. August 1865 bannte vorerst die Kriegsgefahr. „Unbeschadet der Fortdauer der gemeinsamen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit beider Herzogtümer“ wurde eine vorläufige Verwaltungsteilung vereinbart. An Preußen fiel Schleswig, an Österreich Holstein. Lauenburg ging in den Besitz Preußens über, das an Österreich eine Entschädigung von 2,5 Millionen dänischen Talern zahlte. Außerdem sollte Rendsburg Bundesfestung werden und Preußen zwei Militärstraßen durch Holstein erhalten.


Kiel eine zweigeteilte Stadt

Nach Artikel 2 der Konvention von Gastein sollte Kiel Bundeshafen werden. Bis dahin konnten ihn österreichische und preußische Schiffe benutzen. Preußen erhielt das Kommando und die Polizeigewalt im Hafen, durfte Befestigungen und „Marine-Etablissements“ auch auf holsteinischem Boden errichten und „die zur ihrer Besatzung und Bewachung erforderlichen Marinetruppen und Mannschaften“ in Kiel und Umgebung halten.

Um die genauen Besitzverhältnisse zu regeln, wurde eine Kommission von preußischen und österreichischen Offizieren gebildet. Das Ergebnis der Beratungen wurde in einem Protokoll vom 10. September 1865 festgelegt.

Kiel, das damals 18 770 Einwohner hatte und im Wesentlichen aus der Altstadt-Halbinsel, der Vorstadt und dem Kuhberg- und Damperhofviertel bestand, wurde zu einer zweigeteilten Stadt. Im Ostteil waren preußische Truppen, im Westteil österreichische stationiert. Die Grenze verlief durch folgende Straßen, die jeweils in ganzer Breite zu Preußen gehörten: Hamburger Chaussee, Sophienblatt, Klinke, Vorstadt, Holstenstraße, Schloßstraße, Kattenstraße bis zur Wasserallee. Der Marktplatz lag im österreichischen Gebiet. Der Exerzierplatz, das Exerzierhaus unterhalb des Schlosses, der Schießstand zwischen Knooper Weg und Schreventeich und die Badeanstalt in Düsternbrook konnten nach Vereinbarung gemeinschaftlich genutzt werden.

Den preußischen Marinetruppen wurden die Orte an der Ostküste der Förde von Laboe bis Gaarden überlassen, ebenso Düsternbrook und Wik. Damit war das Ufer der Förde weitgehend in der Hand Preußens. Die Festung Friedrichsort gehörte ebenfalls zum preußischen Einflussgebiet, da sie im Herzogtum Schleswig lag.

Die Truppenkommandanten übten jeweils in ihren Bezirken die Polizeigewalt aus. Preußische Arretierte waren in der Hafenwache, österreichische in der Hauptwache abzuliefern. Festgenommene Zivilpersonen mussten innerhalb von 18 Stunden den zuständigen Zivilbehörden ausgeliefert werden. Im Kieler Hafen, der vom Südende der Förde bis nach Friedrichsort reichte, hatte Preußen die Kommando- und Polizeigewalt über eigene und ausländische Kriegs- und Handelsschiffe. Es war daher verpflichtet, ständig ein Wachschiff in Dienst zu haben. Sämtliche Handelsschiffe im Kieler Hafen hatten den Anordnungen der preußische Hafenpolizei Folge zu leisten.

Keine Demarkationslinie

Für die Kieler war die Grenze zwischen dem österreichische und preußischen Bezirk in der Stadt nicht zu erkennen. Es gab keine trennende Demarkationslinie, wie z. B. die Mauer in Berlin von 1961 bis 1989.

Offiziere und Beamte der beiden Truppen waren z. B. in der Wahl ihrer Wohnung innerhalb der Stadt nicht eingeschränkt. Für die Kieler Bürger dagegen war die Quartiernahme eine Last. Denn sie hatten den Soldaten ihres Bezirkes und den Offizieren aller Truppen Unterkunft zu gewähren.

Preußischer Gouverneur für das Herzogtum Schleswig wurde Generalleutnant Edwin von Manteuffel, der in seinem Amtssitz auf Schloss Gottorf am 29. August 1865 eintraf. Zum Statthalter für das Herzogtum Holstein hatte Kaiser Franz Joseph Feldmarschall-Leutnant Freiherr Ludwig von Gablenz ernannt, nach dem die heutige Gablenzstraße und die 1910 errichtete Gablenzbrücke benannt ist. Am 15. September 1865 nahm er seinen Dienst im Kieler Schloss auf. „Gablenz war ein leutseliger, sehr bald populärer Mann in Kiel, wo er vom Volksmund häufig auch als ’Fürst von Kiel’ bezeichnet wurde“ (Gerd Stolz). Er genoss bei den Kielern viel Sympathie, Manteuffel dagegen weniger.

Der Statthalterschaft für das Herzogtum Holstein unterstand die „Herzoglich Holsteinische Landesregierung“, die mit beschränkter Wahrnehmung „von Hoheitsrechten“ als Exekutive für alle Abteilungen der Verwaltung zuständig war. Der Magistrat der Stadt Kiel wurde in seinen Rechten und Tätigkeiten, bis auf die preußische Kommando- und Polizeigewalt im Hafen, kaum eingeschränkt. Kiel war also keine Stadt mit unterschiedlich verwalteten Bezirken. Außerdem war Gablenz bemüht, wenig in die vorhandenen Strukturen einzugreifen, weil er die Besatzung Österreichs in Holstein nur als eine vorläufige ansah. Damit sollte er Recht behalten.

Teilung nur für neun Monate

Die Spannungen zwischen Österreich und Preußen verschärften sich Anfang des Jahres 1866. Preußen plante einen Krieg gegen Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland. Als Österreich am 1. Juni 1866 ohne Verständigung mit Preußen bei der Bundesversammlung in Frankfurt beantragte, die Angelegenheit der Herzogtümer der Beschlussfassung des Bundes zu überweisen, und Gablenz befahl, die holsteinische Ständeversammlung einzuberufen, sah Bismarck dieses Vorgehen als Bruch der Gasteiner Konvention an. Am 7. Juni 1866 verließen die österreichischen Truppen und auch Gablenz Kiel. Preußen besetzte Holstein, ohne auf österreichische Widerstand zu stoßen. Als die Preußen am 12. Juni die Regierungsgewalt in Holstein übernahmen und Gablenz bei Altona über die Elbe ging, war die Teilung Kiels nach neunmonatiger Dauer beendet.

Marine in Kiel

Die Entscheidung über das weitere Schicksal Schleswig-Holsteins fiel am 3. Juli 1866 in der Schlacht bei Königgrätz. Im Prager Frieden musste Österreich seine Rechte auf die Herzogtümer dem König von Preußen übertragen. Nach Verabschiedung des Annexionsgesetzes wurde Schleswig-Holstein durch königliches Patent am 12. Januar 1867 preußische Provinz.

Schon am 24. März 1865 hatte der preußische König verfügt: „Die Marinestation der Ostsee ist von Danzig nach Kiel zu verlegen“. Ein Marinedepot wurde in Düsternbrook eingerichtet, immer mehr Marinetruppen nach Kiel verlegt und die gesamte Küste der Förde durch Forts gesichert. Nach dem preußischen Sieg über Österreich begann der Ausbau Kiels zum Kriegshafen, seit 1871 zum Reichskriegshafen. Damit wurde die Kriegsmarine zum bestimmenden Faktor der Stadt. Kasernenanlagen und Werften entstanden. In kurzer Zeit wuchs die Einwohnerzahl Kiels. 1898/99 lebten schon 100 000 Menschen in der Stadt. Für die Wirtschaft Kiels bedeutete das zunächst eine positive Entwicklung. Aber die einseitige Ausrichtung auf die Marine und die Abhängigkeit von ihr wirkten sich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg verhängnisvoll aus. Die Marine musste neun Zehntel ihres Personalbestandes entlassen, die Werften einen großen Teil ihrer Arbeiter. Die Stadt versuchte, ihre Wirtschaft umzustrukturieren, wurde aber seit 1935 wieder Flottenstützpunkt und Rüstungsstandort. Der Kriegshafen Kiel mit seinen Werften, Flottenstäben, Rüstungsstätten und U-Boot-Bunkern war im Zweiten Weltkrieg Ziel zahlreicher Bomberverbände. Am Ende des Krieges war die Stadt zu 80% zerstört. Auch wenn viele Kieler der Marine in ihrer Stadt abgeschworen hatten und die britische Militärregierung auf Demontage der Werften und Rüstungsbetriebe bestand, wurde die Stadt 1956 im Zuge des Kalten Krieges und des Aufbaus der Bundeswehr erneut Marinestützpunkt des Ostseebereiches. Marine und Schiffbau bestimmten wieder die Wirtschaftsstruktur der Stadt, wenn auch nicht in dem Maße wie früher.

Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Literatur

Boysen, Carl

Österreich und Preußen teilen sich in den Besitz der Stadt Kiel, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 38, 1935, S. 157 ff.

Klewin, Ferdinand

Zweigeteiltes Kiel, in : Vom früheren Kiel, Kiel 1985, S. 16-18

Lange, Ulrich (Hg.)

Geschichte Schleswig-Holsteins von den Anfängen bis zur Gegenwart, Neumünster 1996, S. 452-459

Salewski, Michael

Kiel und die Marine, in: Geschichte der Stadt Kiel, hrsg. von Jürgen Jensen und Peter Wulf, Neumünster 1991, S. 272-286

Stolz, Gerd

Kiel - die erste „geteilte“ Stadt in Deutschland, in: Die Heimat. Zeitschrift für Natur und Landeskunde von Schleswig-Holstein und Hamburg, Heft 11/12, 2000, S. 240-246

Zeitungen

Kieler Nachrichten

vom 23. März 1965



Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: 14. August 1865 | Kiel wird eine geteilte Stadt und des Erscheinungsdatums 14. August 2010 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=116

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