Kieler Erinnerungstag:4. Juni 1412
Gründung der Großen Grünen Schützengilde

Eine Schützengilde: Unentbehrlich zur Verteidigung der Stadt

Am 4. Juni 1412 gründeten vier Kieler Handwerksmeister „um alter, löblicher Gewohnheit und beständiger Eintracht willen mit Rat, Genehmigung und Hilfe der ehrenhaften, bedachtsamen Bürgermeister und Ratmänner zu Kiel ... eine Gesellschaft und Kompanie der Schützen hierselbst zu Kiel.“ Diese Gesellschaft besteht als Große Grüne Schützengilde bis heute. Sie gehört zu den ältesten Gilden Schleswig-Holsteins. Ihr Sinnbild ist ein Vogel, der wie ein Papagei aussieht. Im Mittelalter hieß sie daher auch „Papageiengilde“. Ihr späterer Name „Grüne Gilde“ geht vermutlich darauf zurück, dass die Mitglieder grüne Uniformen trugen. Die Schützen trafen sich zum beliebten Schießen mit der Armbrust, später mit der Büchse. Neben der Körperertüchtigung dienten die Schießübungen vor allem dem Schutz der Stadt. Im Mittelalter, als die schleswig-holsteinischen Landesherren noch nicht über ein stehendes Heer verfügten, mussten die Städte sich selbst verteidigen. Von daher war es wichtig, dass ihre Bürger im Waffengebrauch geübt waren. Die Schützengilde leistete dazu einen wichtigen Beitrag.

Stadt und Gilde waren eng verbunden. Die Stadt beteiligte sich an der Gildegründung, verschaffte ihr finanzielle Erleichterungen und spendete zum Schützenfest Geld für Bier. Die Gilde stand in hohem Ansehen. Bei feierlichen Umzügen marschierte sie an bevorzugter Stelle, bei Besuchen des Landesherren oder hoher Fürstlichkeiten holte sie die Gäste hoch zu Ross in die Stadt und stellte am Schloss die Ehrenwache. Außerdem durfte sie ihre Gildefeste im Rathaus feiern.

Die Schützengilde auch Brand- und Totengilde

Die Schützengilde war nicht nur gesellige Vereinigung der Schützen. Für die Gildebrüder hatte sie zugleich die Funktion einer Feuerversicherung und einer Sterbekasse. Die Feuergefahr in den Städten war damals wegen der vielen Fachwerkhäuser groß. Im 17. Jahrhundert wurde die Schützengilde auch zur Brandgilde, die bei Feuer löschen musste. Aus eigener Tasche beteiligte sie sich auch bei der Anschaffung einer großen Feuerspritze. Wenn ein Mitglied der Brandgilde durch Feuer geschädigt wurde, sammelte der Schreiber der Gilde innerhalb von sechs Wochen bei den Mitgliedern den Betrag ein, der dem Versicherten zustand.

Wegen der großen Verdienste bei der Brandbekämpfung in der Stadt schenkte der Rat der Gilde 1665 ein Gelände weit im Westen, außerhalb der Stadt, das heute noch Schützenpark heißt. Hier hatte die Gilde schon seit Langem ihre Schießübungen abgehalten.

Die Schützen- und Brandgilde war auch bis 1743Totengilde, die für eine würdige Beerdigung ihrer Mitglieder in Anwesenheit aller Schützenbrüder sorgte.

Schießen nach dem Vogel

Alle zwei bis drei Jahre fand nach einem strengen Protokoll das Große Schießen statt.

In der Woche nach Pfingsten traf sich die Versammlung der Brüder auf dem Tanzsaal. Dies war ein großes Gebäude Ecke Markt/ Dänische Straße. Später wurden auch das Rathaus oder Gaststätten als Versammlungsort genutzt. Die Rottmeister, Anführer der einzelnen Züge beim Schießen, zogen die Lose für die Reihenfolge beim Schießen. Dann marschierten die Rottmeister mit ihren Schützen, den Rottgesellen, zum Gildeplatz. Das Schießen nach dem Vogel begann. Dieser war aus Holz und Eisen zusammengefügt und an einer 20 m hohen Stange angebracht. In einer festgelegten Reihenfolge wurde die einzelnen Teile des Vogel abgeschossen, zuletzt der Rumpf. Wer diesen abschoss, wurde Schützenkönig. Anschließend zog man zurück nach Kiel zum Rathaus, wo die Stadt den Ehrentrunk kredenzte. Bis 1600 war das eine Tonne Bier, später 16 Kannen Wein. Dann ging es zurück zum Tanzsaal, wo das Festmahl begann. Der neue Schützenkönig musste jedem Tisch, damals gab es zehn, einen Schinken spendieren, die Rottmeister ihre Rotte mit Brot und Butter versorgen, allerdings gegen Bezahlung Nach dem Gelage spielten Musikanten zum Tanz auf. Seit dem 18. Jahrhundert gab es auch einen Gildeball, der oft bis zu drei Tagen dauerte.

Der Gildeschatz

Bei diesen Festen wurden prächtige Trinkgefäße benutzt, die der Gilde zumeist gestiftet wurden und z. T. noch heute in ihrem Besitz sind. Der älteste erhaltene Becher stammt aus dem Jahre 1620. Deckelpokale stammen aus den Jahren 1724 und 1735, eine Schützenbüchse aus dem Jahr 1633. Herzog Carl Friedrich von Holstein-Gottorf stiftete 1726 einen massiven silbernen, von außen vergoldeten Königsvogel, der mit Diamanten und Rubinen verziert ist. Zum Großen Schießen trägt der Schützenkönig dieses Schmuckstück an einer goldenen Kette um den Hals. Ein weiterer Schatz der Gilde ist die Gildelade von 1757. Sie wurde von dem Gildevorsteher und Kieler Kunsttischler Anton Lindemann geschaffen und mit Motiven aus dem Schützenleben in Intarsienarbeit verziert. Sie enthielt vor allem die vielen alten Urkunden.

Prominente Mitglieder und Fürsten als Schützenkönige

Ihre Glanzzeit erlebte die Schützengilde im 18. Jahrhundert unter der Regierung des Gottorfer Herzogs Carl Friedrich. 1725 wurde der Herzog Schützenkönig. Für ihn gab der Kieler Amtmann Joachim Otto Bassewitz den Schuss ab. Es war nicht unüblich, dass ein Schützenkönig seine Würde an einen anderen abtrat, auch wenn dieser nicht Mitglied der Gilde war. Die Absicht war, damit hochgestellt Persönlichkeiten zu ehren. 1725 beantragte der Herzog die Aufnahme in die Gilde und stiftete ein Jahr später den silbernen Königsvogel. Es gab noch weitere hochgestellt Schützenkönige. Das waren u. a.: 1732 der Erbprinz Carl Peter Ulrich (der spätere Zar Peter III.), 1744 Zarin Elisabeth, 1748 erneut Peter als Großfürst von Russland, 1756 der russische Erbprinz Paul (Sohn Peters und der späteren Zarin Katharina II.), 1764 die Zarin Katharina II., 1774 der dänische König Christian VII.

Eine traditionsbewusste Gilde

Im Laufe der Jahrhunderte gab es manche Veränderungen, den jeweiligen Zeiten angepasst. Eine der wichtigsten Neuerungen war, dass die Gilde ein neues Schützengelände bekam. Da Kiel mit zunehmender Bevölkerungszahl seit Ende des 19. Jahrhunderts sprunghaft wuchs, gebrauchte man das Schützengelände zur städtischen Bebauung. 1896 wurde ein Kauf- und Tauschvertrag abgeschlossen. Die Stadt kaufte die Schützengärten und tauschte den Schützenplatz gegen einen anderen ein. Er liegt am Hasseldieksdammer Weg, heute zwischen Westring und Autobahn. Hier entstand ein herrlicher Park mit einer schönen Teichanlage, Überbleibsel der ehemaligen Prüner Teiche

Auch die Gildebrüder haben sich in ihrer Bekleidung verändert. Sie tragen keine Uniform mehr. Ein grüner Papagei am Rockaufschlag und eine grüne Krawatte sind die kleinen äußeren Zeichen ihrer Zugehörigkeit zur Gilde. Bei festlichen Anlässen wird ein grauer oder schwarzer Anzug getragen. Die drei Vorsteher und die Fahnenjunker erscheinen im schwarzen Anzug mit Zylinder, der Fahnenträger dagegen noch in Uniform: weiße Hose, grüne Jacke, grüner Helmbusch.

Aber in den Ritualen beim Großen Schießen lebt die alte Tradition fort. Es beginnt mit einer Festsitzung im großen Ratssaal. Eingeladen werden dazu der Oberbürgermeister und der Stadtpräsident. Danach begeben sich die Gildemitglieder zum Hasseldieksdammer Weg zu ihrem Schützengelände. Vier Böllerschüsse empfangen sie. Dann wird die alte Lade feierlich geöffnet und die Rekruten aufgenommen. Nach der Festsetzung der Schießrolle beginnt das Schießen nach dem Vogel. Der neue Schützenkönig bekommt für ein Jahr den silbernen Gildevogel. Den Abschluss bildet die Verteilung der Silbergewinne bei „Königsbowle und Butterbroten“. Selbstverständlich findet auch ein Gildefest statt.

Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Literatur

Eckhardt, Heinrich

Alt-Kiel in Wort und Bild, Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 62, 1975, S. 530 f.

Leisner, Max

Feiern, Feste und Vergnügen im alten Kiel, Kiel 1974, S. 14-17

Sievert, Hedwig

550 Jahre Große Grüne Schützengilde, Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 51, 1962

575 Jahr Große Grüne Schützengilde in Kiel,

1462-1987, hrsg. von der Großen Grünen Schützengilde von 1412 e. V., Kiel 1987

Zeitungen

Kieler Express

vom 11. September 1996

Kieler Nachrichten

vom August 1962, vom 6. Juli 1967, vom 5. Juni 1982

Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung

vom 21. August 1962



Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: 4. Juni 1412 | Gründung der Großen Grünen Schützengilde und des Erscheinungsdatums 04. Juni 2012 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=171

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