Kieler Erinnerungstag:Mai 1899
Der Kieler Hauptbahnhof

Am 31. Mai 1899 lud die Kieler Handelskammer um 16.00 Uhr viele namhafte Gäste ein, um die vorläufige Eröffnung des Kieler Hauptbahnhofs zu feiern.

Im Wartesaal dritter und vierter Klasse - der der ersten und zweiten war noch nicht fertig - wurde an fünf langen Tafeln ein Festmenü aus Krebssuppe, Bachforelle, Rinderfilet und Kalbsrücken sowie Dessert „Hohenzollern“ serviert.

Der Kaiser traf am Abend mit einem Sonderzug auf dem alten Bahnhof an der Klinke aus Berlin ein. Die Bahnhofseröffnung interessierte ihn weniger, sondern mehr seine Yacht „Hohenzollern“ und die Einweihung eines neuen Panzerkreuzers. Bei seiner Abreise vom neuen Bahnhof schaute er sich kurz die Anlage an, begrüßte Ehrengäste und fuhr nach Berlin zurück.

Am 1. Juni 1899 wurde der Bahnhof mit seinem westlichen Teil am Sophienblatt der Bestimmung übergeben und der alte Bahnhof stillgelegt.

Der alte Bahnhof an der Klinke


Dieser war 1846 für die Eisenbahnlinie Kiel-Altona eingeweiht worden. Das Gebäude stand dort, wo sich heute der Stresemannplatz vor der Hauptpost bzw. dem Neuen Rathaus befindet. Dieser Bahnhof war zu klein geworden, denn inzwischen gab es weitere Bahnlinien in Schleswig-Holstein, die z. T. auch nach Kiel führten. Außerdem hatte Kiel 1871 die Funktion eines Reichskriegshafens erhalten. Daher war eine schnelle Verbindung zur Reichshauptstadt Berlin wünschenswert. Am 1. Mai 1899 fuhr der erste Probezug zwischen beiden Städten. Insgesamt war Kiel bestrebt, ein engmaschiges Eisenbahnnetz zur Erschließung Schleswig-Holsteins mit Kiel als Zentrum auszubauen.

Diesem zunehmenden Verkehr war der alte Bahnhof nicht mehr gewachsen. Außerdem war die Einwohnerzahl der Stadt erheblich gestiegen. Von 1860 bis 1890 war die Bevölkerungszahl um das Fünffache gewachsen. So entstand in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts der Plan für einen neuen Bahnhof.

Diskussion um den Standort des neuen Bahnhofs


Wie schon beim alten Bahnhof brach auch jetzt eine heftige Diskussion darüber aus, wo der neue Bahnhof gebaut werden sollte.

Es gab den Plan, ihn nur wenige Meter nach Süden zu versetzen und den Bau einschließlich des Eisenbahndamms bis hinter die Hörn als Hochbahn zu errichten. Damit wären die Verkehrsprobleme zum Hafen und zum Ostufer gelöst gewesen. Der Entwurf wurde aber von der Bahnverwaltung als zu kostspielig abgelehnt. Einige befürworteten die Verlegung des Bahnhofs an den Schreventeich, etwa auf das Grundstück des heutigen Heizkraftwerkes. Die Ratsversammlung aber lehnte ab. Stadt und Eisenbahndirektion verwarfen auch den Plan, den Bahnhof ganz im Süden, hinter der heutigen Gablenzbrücke, zu bauen. Aber das „Lerchen-/Ringstraßen-Projekt“ fand die Zustimmung der königlichen Regierung. Also sollte der Bahnhof zwischen verlängerter Lerchenstraße (heute Raiffeisenstraße) im Norden, der Kaistraße im Osten, dem Sophienblatt im Westen und der St.-Jürgen-Kapelle im Süden liegen.

Das Gebäude des Hauptbahnhofs


Wie oben erwähnt, wurde nur der westliche Teil des Bahnhofs am 1. Juni 1899 eingeweiht, da während der Bauzeit der gesamte Personenverkehr zum Bahnhof an der Klinke über die Baustelle führen musste. Der alte Bahnhof wurde nun stillgelegt, der zweite Bauabschnitt konnte beginnen.

Am 20. Januar 1900 wurden der Mittelbau und der östliche Teil des Bahnhofs dem Verkehr übergeben. 1900 waren die „Kaiserzimmer“ fertig. Am 24. November kam der Kaiser zur Einweihung dieser Räume nach Kiel.

Insgesamt stellte sich der Bahnhof als monumentaler, repräsentativer, neubarocker Backsteinbau mit Gebäudeecken und Fenstereinfassungen aus Sandstein dar. Eine große halbrunde Fensterfront bestimmte die Nordfassade der Eingangshalle. Auf der rechten Seite dieser Halle lagen die Wartesäle der dritten und vierten Klasse, auf der linken die der ersten und zweiten Klasse. Im östlichen Flügel des Gebäudes befand sich das Kaiserportal, zu dem eine große Freitreppe führte. Über dem Portal zierte eine Kartusche mit dem kaiserlichen Wappen die Fassade. In diesem östlichen Flügel lagen auch die Fürstenzimmer mit Empfangssaal, Räumen für den Kaiser, für die Kaiserin und verschiedene Nebenzimmer. Die Räume waren sehr vornehm ausgestattet, auch im Hinblick darauf, dass häufig fürstlicher Besuch, insbesondere der Zar von Russland, zu erwarten war.

Das nördliche Ende des Ostflügels schloss mit einem Treppenturm ab, auf dem eine Kuppel mit einer Krone angebracht war. Besuchte der Kaiser Kiel, wehte hier die Fahne des Regenten. Der Kaiser kam häufig mit dem Zug nach Kiel, z. B. zur Kieler Woche. Er konnte dann durch das Kaiserportal direkt an den Hafen gelangen, wo seine Yacht lag. Nur ihm und anderen Majestäten und Fürsten war das Kaiserportal vorbehalten.

Der Bahnhof war aber immer noch nicht fertig, es fehlten noch zwei Gleise, der dritte Bogen der Bahnsteighalle und der hintere Teil des Westflügels. Dazu musste das Stadtkloster abgebrochen werden. 1907 wurden die Bauarbeiten fortgesetzt und 1911 abgeschlossen. Damit hatte der Bahnhof seine heutige Ausdehnung erreicht.

Der Hauptbahnhof in einem repräsentativen Umfeld




Der neue Bahnhof war sehr imposant, keineswegs jedoch seine Umgebung. Im Selbstverständnis der Großstädte des 19. Jahrhunderts hatten Bahnhofsplatz und Bahnhofstraße die Ankommenden zu beeindrucken und die Bedeutung der Stadt zu dokumentieren. Die Stadtverwaltung bemühte sich daher um Investoren für repräsentative Gebäude. Der Ausbau der Bahnhofsumgebung begann 1902 mit der Errichtung der St.-Jürgen-Kirche, die das Sophienblatt optisch nach Süden abgrenzte. Es folgte auf der Westseite des Bahnhofs das Haus der „Schleswig-Holsteinischen Landgesellschaft“, ein monumentaler Jugendstilbau. Dem schloss sich 1906 der am Sophienblatt gelegene (alte) Sophienhof an. Er war ein reich verziertes Wohn- und Geschäftshaus. Im Norden des Bahnhofsplatzes wurde 1908 das repräsentative Hansa-Hotel gebaut, während sich nach Osten der Bahnhof mit Kaiserportal und Freitreppe zum Wasser öffnete.



Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg


Durch die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg blieb von all dieser Pracht wenig übrig. Bei Kriegsende war die Hauptfassade des Bahnhofs bis auf die großen Bogenfenster fast völlig zerstört, ebenso der westliche Flügel am Sophienblatt. Am besten erhalten war noch der Ostflügel.

Die prachtvollen Bauten im Westen und Norden des Bahnhofs lagen in Schutt und Asche. Die St.-Jürgen-Kirche war ebenfalls schwer beschädigt, wurde zunächst notdürftig repariert, dann aber abgerissen, um der Erweiterung des Sophienblattes Platz zu machen.

Wiederaufbau


Der Wiederaufbau des stark beschädigten Bahnhofs begann erst 1950. Insgesamt wurde der Bahnhof vereinfacht wiederhergestellt. Am Ostflügel sind noch die ursprünglichen Sandsteinverblendungen im Sockel- und Erdgeschoss und Sandsteinzierteile in der Backsteinfassade zu sehen. Auch die Stahlkonstruktion der Bahnsteighalle war stehen geblieben. Alles andere musste neu gebaut werden. Man verzichtete dabei auf Schmuck im Mauerwerk, baute auch keine Kuppeln wieder auf, auch nicht den Treppenturm mit der Kaiserkrone. Das Kaiserportal wurde zugemauert. An seine Stelle kam ein großes, breites Fenster.

Umbauten ohne Ende


Eine durchgreifende Umgestaltung erfuhr der Bahnhofsplatz 1972 anlässlich der olympischen Segelwettbewerbe in Kiel. Der zentrale Omnibusbahnhof wurde gebaut und mit einer Fußgängerbrücke mit dem Bahnhof verbunden. Ebenso entstand 1986-1988 eine verglaste Fußgängerbrücke zum neuen Einkaufszentrum Sophienhof, außerdem wurden an der Bahnhofsnordseite zwei Balkone angebracht, in der sich Geschäfte befanden. Auch im Inneren des Gebäudes hatte es im Laufe der Jahre Veränderungen gegeben: Geschäfte, ein Restaurant, ein Reisezentrum und ein Service-Point waren eingerichtet worden.

1999 begann nun der erste umfassende Umbau des Bahnhofs seit seiner Wiederherstellung nach dem Krieg. Ziel der Deutschen Bahn AG war, Kiels Bahnhof und weitere 25 bundesweit zu „revitalisieren“, d. h. in ein modernes Dienstleistungs- und Kommunikationszentrum umzuwandeln. Innen und außen wurde der Bahnhof grundlegend verändert, wobei sich der Umbau so weit wie möglich an dem historischen Gebäude von 1899 orientierte. An der Ostseite ist das Kaiserportal wieder geöffnet und damit ein Ausgang zum Wasser geschaffen worden. Wo der Treppenturm an der Nordostecke gestanden hatte, befindet sich jetzt eine hohe Glas- und Lichtsäule. Die Fußgängerbrücke zum ZOB existiert nicht mehr, dadurch konnte der Bahnhofsvorplatz neu gestaltet werden. An der Westseite zum Sophienhof entstand ein Arkadenbauwerk. Auch das Innere des Gebäudes wurde großzügig umgestaltet mit einer Vielzahl von Läden, gastronomischen Angeboten und einem Reisezentrum.

Die Renovierung des gesamten Bahnhofs sollte eigentlich am 1. Juni 1999 zum 100. Bahnhofs-Geburtstag fertig sein, aber nach vielen Verzögerungen wurde in dem Jahr erst mit dem Umbau begonnen. Die Bauarbeiten waren insgesamt von technischen und finanziellen Schwierigkeiten und damit von vielen Unterbrechungen begleitet, aber voraussichtlich soll endlich 2006 alles beendet sein. Im Juni 2004 konnte die Empfangshalle und der Bahnhofsvorplatz eingeweiht werden.

Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Literatur

Dierck, Ingo und Ralph Müller

100 Jahre Hauptbahnhof Kiel. Eine Chronik zum 1. Juni 1999,

DB, Station & Service (1999)

Jensen, Jürgen und Peter Wulf (Hg)

Geschichte der Stadt Kiel, Neumünster 1991

Kiel. 75 Jahre Hauptbahnhof,

1899-1974, Deutsche Bundesbahn (1974)

Kieler Express

vom 28. Okober 1995, vom 29. Mai 1999

Kieler Nachrichten

vom 24. August 1972, vom 31. Mai 1974, vom 28. Juli 1982, vom 3. Mai 1988,

vom 19. März 1999, vom 28. Mai 1999, vom 16. Februar 2001, vom 21. Juni und 5. November

2003

Kieler Zeitung

vom 31. Mai 1899, vom 24. November 1900

Wilde, Lutz

Denkmaltopographie, Landeshauptstadt Kiel, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Neumünster 1995


Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: Mai 1899 | Der Kieler Hauptbahnhof und des Erscheinungsdatums 12. Februar 2005 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=30

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