Kieler Erinnerungstag:30. April 1978
Eröffnung des Kieler Schifffahrtsmuseums

Am 30. April 1978 war es endlich soweit. Das Kieler Schifffahrtsmuseum am Wall/Seegarten wurde feierlich mit einem volkstümlichen Programm und vielen Geschenken für die neue Sammlung eingeweiht. Damit war ein weiterer Schritt im Wiederaufbau der Kieler Museumslandschaft getan: Nach dem Zweiten Weltkrieg war Kiel zwar Landeshauptstadt geworden, musste aber als Gegenleistung die Landesmuseen für Kunst- und Kulturgeschichte (Thaulow-Museum) sowie für Vor- und Frühgeschichte (Museum vaterländischer Altertümer) nach Schleswig abgeben. In den 1970er Jahren begann die Stadt, diesen Verlust an kultureller Substanz durch eigene Museumsgründungen aufzufangen. Das Schifffahrtsmuseum bezog attraktive Räumlichkeiten: die renovierte Fischhalle am Wall.

Die alte Fischhalle

Die Fischhalle wurde 1909/10 von der Stadt errichtet, um den Fischhandel Kiels zu konzentrieren. Bisher verkauften die Fischer, vor allem die Ellerbeker Fischfrauen in ihrer Tracht, ihre Ware unter freiem Himmel am Fischleger zwischen der Schumacher- und Flämischen Straße, bei Wind und Wetter, Hitze und Kälte. Häufig war es zu Klagen über den unappetitlichen Verkauf gekommen. Außerdem sei nicht genügend Platz vorhanden, hieß es. Die meisten Einwohner würden auch gar nicht auf dem Fischmarkt einkaufen, sondern die Fische von Hausierern beziehen. Die Ware sei dadurch teuer und nicht mehr besonders frisch. Fluss- und Teichfische würden Fischhandlungen in einzelnen Stadtteilen verkaufen. Zur Belebung des Handels sei daher eine Konzentration des Fischverkaufs notwendig. Als im Jahre 1903 mit dem Ausbau des inneren Hafens der bisherige Fischleger verschwand, beschlossen 1908 die städtischen Kollegien mit dem Bau einer Fischhalle den Fischhandel in Kiel zu verbessern.

Es entstand ein repräsentativer Bau, der „dem Hafen ein würdiges Gesicht“ geben sollte. Der Architekt der Fischhalle war der Kieler Stadtbaurat Georg Pauly, der zu den Vertretern der Heimatschutzbewegung gehörte. Mit der Verwendung von rotem Backstein und hellem Sandstein für die Fassade knüpfte er an den schleswig-holsteinischen Baustil des 17. und 18. Jahrhunderts an. Mit der traditionsgebundenen Architektur erteilte Pauly dem Historismus mit Stuck- und Putzbauten eine Absage. Nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Denkmalrates stellt die Fischhalle von Pauly „in gestalterischer Hinsicht eine gelungene Verbindung des Jugendstils mit Formen des küstenländischen Frühbarocks“ dar. Erwähnenswert ist auch das hohe geschweifte Spitzbogendach, das der Fischhalle ihr typisches Aussehen gibt. Zur Wasserseite und zum Wall hat der Bau große, reich dekorierte Sandsteinportale mit Köpfen von Meereswesen. In der Kartusche zum Wall steht die Inschrift „Fischhalle“ und zur Förde „AD 1909“.

Das Innere der Halle war von Funktionalität geprägt. Inmitten des Raumes befanden sich zwei in den Boden eingelassene Seewasserbehälter von acht Meter Länge. Um die Becken herum waren die Verkaufsstände angeordnet, ebenso an den Längsseiten der Halle. Ein riesiges an den Dachbindern aufgehängtes tonnenförmiges Dach aus Holz überspannte die Fischhalle. An der Außenseite des Gebäudes wurden Läden für den Handel mit Räucherfischen eingerichtet.

Die Stadt hatte sich von der neuen Fischhalle einen großen Erfolg versprochen, der aber ausblieb. Viele Stände konnten nicht vermietet werden, weil die Preise im Vergleich zum Umsatz zu hoch waren. Fischer klagten, dass für Fischauktionen zu wenig Platz vorhanden sei, und viele verkauften trotz Verbots auch weiterhin die Fische vom Boot aus. Die Fischhalle hat ihren Zweck also nie ganz zur Zufriedenheit des Fischhandels erfüllt.

Der neue Seefischmarkt – was wird aus der Fischhalle?

Ohne nennenswerte Schäden hatte die Fischhalle den Zweiten Weltkrieg überstanden, aber an der Schwentinemündung war seit 1948 ein neuer Seefischmarkt entstanden. Was sollte mit der Halle am Wall geschehen? Zunächst war dort ein Getreidelager untergebracht, dann eine ständige Bootsausstellung der Firma Hettlage & Lampe, die nach außen gelegene Ladenzeile als Geschäfte und Büros vermietet.

Die Existenz der alten Fischhalle schien ernsthaft gefährdet, als die Stadt Kiel 1966 die Forderung erhob, das Gebäude abreißen zu lassen. Der Passagier- und Güterverkehr am Oslokai hatte erheblich an Umfang zugenommen. Der Platz zwischen Oslokai und Fischhalle, so argumentierte der Wirtschaftsausschuss der Stadt, könne im Sommer die wartenden Autos nicht mehr aufnehmen. An die Stelle der Fischhalle müsse ein Parkhochhaus für die Wagen der Tagesausflügler gebaut werden. Auch der Abbruch des Gebäudes und der Wiederaufbau am Kleinen Kiel wurde erwogen.

Das Landesamt für Denkmalpflege protestierte, wies auf die wertvolle historische Bausubstanz hin und deren städtebauliche Funktion: „Sie schließt in ihrer eigenwilligen Architektur den Platz vor dem Schloss gegen die Stadt ab.“ Auf Initiative des Landeskonservators wurde die Fischhalle 1972 unter Denkmalschutz gestellt trotz Widerspruchs der Stadt, die die Abrisspläne noch einmal hervorholte.

Die Fischhalle wird Museum

Die Fischhalle blieb also an ihrem alten Platz erhalten, musste aber dringend saniert werden und eine neue Verwendung finden.

Schon seit Mitte der 1960er Jahre hatte es Bemühungen gegeben, nachdem das Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte in Schleswig angesiedelt worden war, Ersatz in Kiel zu schaffen. Es gab Pläne ein stadtgeschichtliches Museum zu gründen, dessen Entrée der Warleberger Hof sein sollte. Aber für dieses Projekt fehlte das Geld. So wurde allein im Gebäude des Warleberger Hofes im September 1970 das Stadtmuseum eröffnet, das zunächst nur sporadisch Ausstellungen zeigte. Seit der Kieler Woche 1973 aber ist das Stadtmuseum mit stadt- und kulturgeschichtlichen Ausstellungen ganzjährig geöffnet.

Schon seit 1968 gab es auch Bemühungen um eine schifffahrtsgeschichtliche Schausammlung als einen Teil des Stadtmuseums. 1973 machte dann das Kulturamt den Vorschlag, die Fischhalle als maritimes Museum zu nutzen. Die Ratsversammlung stimmte 1974 diesem Plan zu und bewilligte im nächsten Jahr Gelder zur Instandsetzung der Fischhalle. Nun war es entschieden: Kiel erhielt dort ein Schifffahrtsmuseum. Den Anstoß zur schnellen Verwirklichung gaben die wertvollen schifffahrtsgeschichtlichen Privatsammlungen von Rolf Böttcher und Dr. Claus Grimm, die der Stadt zunächst als Leihgabe und später über ein Vermächtnis ihre Sammlungen überlassen wollten. Allerdings sollten die maritimen Exponate in einem Museum den Bürgern ständig zugänglich sein, anderenfalls nach Bremerhaven ins Schifffahrtsmuseum gehen. Auf Initiative des Kulturdezernenten Dr. Moll entstand der Förderkreis des Kieler Schifffahrtsmuseums, der die Bemühungen des Kulturamtes um baldige Einrichtung der Fischhalle als Schifffahrtsmuseum zielstrebig unterstützte. Ende 1975 begannen die Renovierungsarbeiten an der Fischhalle, und am 30. April 1978 öffnete dort das Schifffahrtsmuseum seine Tore.

Die Sammlung des Schifffahrtsmuseums

Die Schausammlung des Museums gibt einen interessanten Einblick in die Geschichte Kiels als Hafenstadt und Stadt der Marine und der Werften.

Zahlreiche Schiffsmodelle zeigen unterschiedliche Schiffstypen von der Hansezeit, über Kriegsschiffe des 17. bis 19. Jahrhunderts bis zu Segelyachten, modernen Tankern und Forschungsschiffen. Die Schiffe wurden entweder auf Kieler Werften gebaut oder waren in Kiel stationiert oder bereedert.

Schiffsporträts, die sog. Kapitänsbilder, geben einen Einblick in die Kieler Schifffahrts- und Reedereigeschichte. Die Stadt, deren Lage für den Fernhandel nicht günstig war, betrieb Seeverkehr vor allem mit Dänemark, aber auch mit Stockholm und St. Petersburg. Die Sammlung beinhaltet ebenfalls einen bedeutenden Bestand an Galionsfiguren und Marinebildern. Fast die ganze östliche Gibelwand des Museums nimmt das Riesengemälde des Marinemalers Carl Saltzmann ein, das die Rückkehr des Prinzen Heinrich von seiner zweiten Weltreise 1884 darstellt.

Dioramen zeigen eine Schiffswerft um 1800, ein Hafenpanorama um 1900 und eine Schiffszimmererwerkstatt. Außerdem ist das Kaiserpanorama von der Kanaleröffnung zu sehen.

Neben nautischen Geräten und Werkzeugen gibt es die Abteilung „In Kiel erdacht, in Kiel gebaut“. Hier werden Kieler maritime Erfindungen im Original oder in Modellen gezeigt: das Echolot von Alexander Behm und Siegfried Fahrentholz, der Kreiselkompass von Hermann Anschütz-Kaempfe, das erste deutsche U-Boot von Wilhelm Bauer (Brandtaucher, 1850), der Atomfrachter Otto Hahn (1968), der Wetterkartenschreiber (1928) von Rudolf Hell und vieles mehr.

Aus dem im Krieg zerstörten Ellerbeker Fischerhaus sind Bilddokumente, Einrichtungsgegenstände, Trachten und Fischereigeräte der alten Ellerbeker Fischer ausgestellt. Beeindruckend ist auch die Wohnküche einer Werftarbeiterfamilie. Die Küche war der zentrale Lebensraum in den kleinen Wohnungen der Mietskasernen auf dem Ostufer und in anderen Arbeiterwohngebieten Kiels.

Wer das Leben und Arbeiten auf einem Schiff näher kennenlernen möchte, kann an der Museumsbrücke drei Oldtimerschiffe besichtigen: den Tonnenleger „Bussard“ von 1905, das Feuerlöschboot „Kiel“ von 1942 und den Seenotkreuzer „Hindenburg“ von 1944.



Quellen

Stadtarchiv Kiel

Akten Nr. 51329, 53108, 53151, 53153, 56719: Nutzung, Kosten und Finanzierungspläne für die Fischhalle

Stadtarchiv Kiel, Denkmalschutzkartei: Fischhalle,

Stadtarchiv Kiel: Ratsprotokoll vom 5. Juni 1975


Abbildungen: Stadtarchiv Kiel


Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Literatur

Jensen, Jürgen

Zur Eröffnung des Kieler Schifffahrtsmuseums, in: Die Heimat. Zeitschrift für Natur- und Landeskunde von Schleswig-Holstein und Hamburg, 85. Jahrgang, Heft 4 und 5, April/Mai 1978, Neumünster 1978, S. 99 ff.

Jensen, Jürgen

Das Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum Warleberger Hof und Fischhalle, Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Sonderveröffentlichung 12, Neumünster 1980, S. 10 f., S. 14 ff.

Kresse, W.

Schiffs- und Marinegeschichte in norddeutschen Museen, 1. Teil, in: Schiff und Zeit, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Schiffs- und Marinegeschichte e. V., Nr. 8, 1979, S. 78 f.

Kieler Express

vom 20. Februar 1975, vom 25. September 1975

Kieler Nachrichten

vom 11. März 1972, vom 6. Dezember 1972, vom 29. August 1973, vom 19. Oktober 1974, vom 21. April 1975, vom 28. Februar 1978, vom 29. April 1978, vom 2.Mai 1978, vom 6. August 2002

Kieler Zeitung

vom 19. April 1903, vom 21. August 1910, vom 27. August 1910

Larsson, Lars Olof

Die Fischhalle: Landestypische Tradition und elegante Modernität aus der letzten Kaiserzeit, in: Begegnungen mit Kiel. Gabe der Christian-Albrechts-Universität zur 750-Jahr-Feier der Stadt, hrsg. von Werner Paravicini in Zusammenarbeit mit Uwe Albrecht und Annette Henning, Neumünster 1992, S. 24 f.

Wilde, Lutz

Denkmaltopographie. Landeshauptstadt Kiel, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 29, Neumünster 1995, S. 240



Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: 30. April 1978 | Eröffnung des Kieler Schifffahrtsmuseums und des Erscheinungsdatums 30. April 2008 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=87

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