Kieler Erinnerungstag:1898
Die Forstbaumschule wird öffentlicher Park

Einer der schönsten und beliebtesten Parks in Kiel ist die Forstbaumschule zwischen Feldstraße, Niemannsweg, Schlieffenallee und Kösterallee. Restaurant und Grünanlagen sind jedes Jahr Ziel für viele Kieler, die hier spazieren gehen, auf den Wiesen ausruhen oder sich im Restaurant erfrischen. Zur 100. Geburtstagsfeier der Parkanlage Forstbaumschule am 28. August 1998 schrieb der Kieler Express: „Glückwunsch Forsti! Sie hat Flair, sie hat einen besonderen Charme und lockt die Kieler jedes Jahr in Scharen an.“ Kaum einer weiß, dass die Ursprünge der Forstbaumschule tatsächlich auf eine Forst- und Baumschule zurückgehen.

Gründung der königlichen Forstlehranstalt in Kiel

Auf Anregung des dänischen Staatsministers Graf C. D. F. Reventlow wurde 1785 die Kieler Forstlehranstalt gegründet. Die Entscheidung fiel in einer Zeit, als sich der dänische Staat Sorgen um seinen Waldbestand machte, der durch Holzeinschlag und als Waldweide für die Nutztiere stark dezimiert war. Holz war damals das übliche Heizmaterial, wurde aber auch für den Haus-, Schiff- und Deichbau benötigt. Aus ökonomischen Gründen war die Erhaltung und Verbesserung des Waldbestandes daher ein dringendes Gebot.

1778 wurde mit der Neuordnung des Forstwesens für die Herzogtümer Schleswig und Holstein eine einheitliche Forstverwaltung in Kopenhagen geschaffen. In der Jagd- und Forstordnung war festgelegt, dass der Waldbestand erhalten und Ödland, Heide und verwahrloste Waldbestände aufgeforstet werden sollten. Dafür gebrauchte man ausgebildete Fachkräfte in der Forstwirtschaft.

Hinzu kam, dass in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Gedanken der Aufklärung ein neues Naturempfinden entstand. Man lehnte die bisher üblichen künstlichen Formen des Barockgartens ab und bevorzugte den englischen Landschaftsgarten mit frei gewachsenen, schönen Einzelbäumen. Für ihre Pflege und Aufzucht brauchte man genaue Kenntnisse und daher Schulung des Forstpersonals.

Die Gründung der Forstlehranstalt in Kiel erfolgte gleichzeitig mit der Errichtung eines Jägerkorps. Der Militärdienst war damals eine wichtige erzieherische Grundlage für die Forstausbildung. Das Jägerkorps sollte für den Felddienst, für Patrouillengänge und Geländeerkundungen ausgebildet und „die besten Subjekte zu wissenschaftlichen Forstleuten erzogen werden.“ In zwei bis drei Räumen des Kieler Schlosses waren die Unterrichtsräume und die Forstbibliothek untergebracht. Die Forsteleven wurden in Arithmetik, Geometrie, Trigonometrie, Kartenzeichnen und Feldmessen unterrichtet. Die militärische Ausbildung unterstand dem Kieler Stadtkommandanten, die wissenschaftliche Ausbildung übernahmen Kieler Professoren. Leiter der Forstlehranstalt war der junge Privatdozent für Kameralwissenschaften und spätere Professor August Christian Heinrich Niemann (1761-1832). Er unterrichtete Waldnaturlehre und Holzzucht. Der Niemannsweg erhielt ihm zu Ehren seinen Namen. Seit 1965 steht dort auch ein Gedenkstein, seit 2002 ebenfalls in der Forstbaumschule.

Eine Forstbaumschule wird eingerichtet

Um die Theorie mit der Praxis zu verbinden, wurde 1788 im Gehege Düvelsbek eine Forstbaumschule angelegt „zur anschaulichen Bekanntschaft mit dem Forstbetriebe und zur praktischen Übung in den vorkommenden Verrichtungen“ (Niemann).

Die Baumschule lag außerhalb der Stadtgrenze auf einer einen Hektar großen Fläche, die zuvor den Brunswiker Bauern gehört und zur Schweinemast gedient hatte Die Anlage wurde vom Jägerkorps vermessen, kartiert und auch die Erweiterung der Fläche von 1 ha auf 2,5 ha im Jahre 1805 selbst vorgenommen. Das Gelände war durch ein einfaches Wegesystem in verschiedene Quartiere untergliedert: die Samenschule, die Pflanzschule und die Versetzungsquartiere A-E. Die Forstbaumschule wies nicht nur Waldbäume auf, sondern auch Sträucher, Allee- und Zierbäume, darunter viele fremdländische Baumarten. 1855 waren ungefähr 500 Baumarten in der Baumschule vorhanden, deren Erzeugnisse bis 1809 allein an die königlichen Gehege geliefert, danach auch an Privatleute verkauft wurden.

Die Arbeit der Eleven bestand in vielfältigen Pflegemaßnahmen, reinigen, säen, pflanzen, Hecken schneiden. Im Tagebuch der Forstbaumschule wurden genaue Naturbeobachtungen eingetragen: Laubausbruch, Blüte, Samenreife, Laubabfall. Hinzu kamen Witterungsberichte über Temperatur, Niederschlag, Bewölkung und Wind.

Der Hamburger Arzt Dr. Diedrich Nicolaus Schrader besuchte 1828 auf einer Reise nach Kiel auch die Forstbaumschule, über die er berichtete: „Das Ganze bildet einen schönen Park von in- und ausländischen Bäumen; jeder der Eleven hat eine mit seinem Namen bezeichnete Abteilung derselben zu bearbeiten; in einem kleinen Hause mitten in dem Garten wohnt ein Aufseher, nicht weit davon ist in einem anderen Gebäude das Auditorium, welches mit großen Hirschgeweihen verziert ist und einige ausgestopfte Vögel nebst einer Sammlung von Samen enthält; an den Wänden hängen Tafeln, worauf die Blütenzeit der Forstgewächse, Pflanzensysteme und dgl. sich befinden. An einer Stelle des Gartens sind Maschinen zu Turnübungen. Mehrere Punkte des Gartens bieten herrliche Aussichten dar und sind nach den Gegenden, wohin sie sehen benannt, z. B. die Festungslaube, die Wyker Laube, die Holtenauer Laube. Unter einer großen fünfstämmigen Lerchentanne tranken wir Tee und besahen dann den herrlichen Garten; es waren dort mehrere sehr große Tulpenbäume (Lyriodendron tulipifera), zwei ungeheuer hohe Lederranken (Asclepias sipho) mit Blumen, auch der Baumwürger (Celastrus scandens)...“.

Das erste Forstexamen fand in Kiel 1794 statt, das letzte 1833. Insgesamt besuchten 300 Eleven die Forstanstalt. Anlässlich der Enthüllung des Gedenksteins für Professor Nieman in der Forstbaumschule 2002 sagte der Vorsitzende der Forstwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft und Landesforstmeister i. R., Georg Volquardts, in seiner Ansprache: „Hier in Kiel stand die Wiege der unsere Wälder aufbauenden und gestaltenden Forstwirtschaft für Schleswig-Holstein und den von Dänemark beeinflussten skandinavischen Raum.“

Von der Forstbaumschule zur öffentlichen Parkanlage

Nach dem Tode von Professor Niemann im Jahre 1832 wurde die königlich dänische Forstlehranstalt zu Kiel 1833 nach Kopenhagen verlegt. Die Forstbaumschule in Düvelsbek sollte deshalb aufgegeben werden. Der Baumschulverwalter Ehlers und der Forst- und Jägermeister v. Warnstedt aus Plön engagierten sich aber für den Erhalt der Forstbaumschule. 1835 schrieb v. Warnstedt an die Rentekammer, die Baumschule verfüge über eine „höchst schätzbare und werthvolle Sammlung von einheimischen und ausländischen Pflanzen. (...) Wann nun schließlich erwogen wird, daß die Baumschule nicht allein eine wahre Zierde des Vaterlandes, sondern in der That des ganzen Nordens ist, daß deren Beschaffenheit und Forstbestehen zum Ruhme Sr. Königlichen Majestät so sehr gereicht, daß die Baumschule selbst im Auslande bekannt und berühmt ist“. Die Rentekammer gab ihre Verkaufspläne daraufhin auf. Bis 1867 bestand die Forstbaumschule als öffentliche Handelsbaumschule, zu der jeder Zutritt hatte.

Als Schleswig-Holstein 1867 preußisch wurde, verkaufte die preußische Staatsforstverwaltung die Gehege Düsternbrook und Düvelsbek mit der Baumschule an die Stadt Kiel, die die Verpflichtung übernahm, das Gelände zu erhalten. Bis 1898 verpachtet die Stadt die Baumschule an verschiedene Gärtner, dann wurde der Baumschulbetrieb ganz aufgegeben.

Ab 1898 verwandelte die Stadt die 3,5 ha große Fläche in einen öf´fentlichen Landschaftspark nach englischem Vorbild mit Wald- und Strauchflächen, dekorativen Einzelbäumen und großen Rasenflächen. Viel alter und seltener Baumbestand blieb erhalten und ist heute als Naturdenkmal ausgewiesen. Überflüssige Bäume wurden in den Hohenzollernpark, heute Schrevenpark, verpflanzt, das alte gradlinige Wegesystem durch ein geschwungenes ersetzt. 1928 entstanden Rasenflächen für Spiel und Sport. Mitte der 1950er Jahre erweiterte man die Forstbaumschule bis zur Schlieffenallee und Feldstraße, nachdem die Stadt Kiel das zu Haus Forsteck gehörende Privatgelände aufgekauft und in den Park miteinbezogen hatte. Die heutige Forstbaumschule mit 12,5 ha ist also wesentlich größer als das ursprüngliche Gelände. Seit 1980 ist sie zusammen mit dem Diederichsenpark und dem Düsternbrooker Gehölz Landschaftsschutzgebiet.

Die traditionsreiche Gaststätte Forstbaumschule

Noch aus der Zeit des Jägerkorps gab es in der Forstbaumschule ein Wachhaus, das auf Antrag Niemanns 1816 erneuert und 1836 erweitert wurde. Es diente nun als Dienstwohnung des Forstbaumschulverwalters. Im Laufe der Zeit entstand dort ein kleiner gastronomischer Betrieb, in dem es „gegen billige Vergütung schöne Milch und auch Theewasser“ gab. Bis 1898 hatte sich aus diesem bescheidenen Erfrischungslokal ein richtiger Restaurationsbetrieb mit Garten, Wirtschafts- und Nebengebäuden und einem Bierkeller entwickelt. Hier fanden zahlreiche studentische Feste, Versammlungen, Schießübungen der Kieler Gilden und Kindergeburtagsfeiern statt. Zu diesem Zweck fuhr extra eine Kutschlinie vom Kieler Markt zur Forstbaumschule hinaus.

Wegen Baufälligkeit wurde das alte Wachhaus 1904/05 durch einen Neubau im Stile eines schleswig-holsteinischen Bauernhauses aus rotem Backstein und Fachwerk ersetzt. Es ist bis heute erhalten und steht unter Denkmalschutz. Auch im Inneren ist die ursprüngliche Raumdekoration

u.a. mit Balkendecke und Bodenfliesen, mit Wandmalereien und Schnitzarbeiten erhalten.

Der Pächter Hausmann kündigte in der Kieler Zeitung vom 1. September 1905 die Eröffnung seines neuen Lokals an: „Am Sonnabend den 2. September morgens 9 Uhr eröffne ich den Wirtschaftsbetrieb in dem städtischen Etablissement ’Forstbaumschule’ und halte mich einem geehrten Publikum von Kiel und Umgegend angelegentlichst empfohlen. Die behaglichen, in dem Charakter bäuerlicher Kunst ausgestatteten Räume sowie die große Veranda mit Terrasse bieten annähernd 1000 Personen Raum und geben Gelegenheit, in nächster Nähe der Großstadt das durch Natur und Kunst so sehr bevorzugte Fleckchen Erde in idyllischer Ruhe bewundern und einige Stunden der Erholung genießen zu können. ...“

1911 wurden die Veranden verglast, und 1926 entstand in dem schon früher angelegten Biergarten ein Musikpavillon.

Ab 1925 begann die große Zeit der Maskenbälle, Modenschauen, Gartenkonzerte. Selbst im Krieg blieb das Ausflugslokal geöffnet. 1944 wurde das Restaurant achtmal bei Luftangriffen getroffen und dabei die Hinterseite zerstört. Danach diente es als Evakuierungsauffangstation.

Seit den 1950er Jahren aber wurde die Forstbaumschule wieder beliebtes Ausflugslokal, in dem es zahlreiche Veranstaltungen gab. Vor allem die Tanzabende waren beliebt. Zur Livemusik aus der Konzertmuschel waren manchmal vier Tanzflächen von tanzenden Paaren gedrängt voll. Anfang der 1970er Jahre schien die Forstbaumschule jedoch fast vergessen. Die Diskotheken nahmen an Bedeutung zu, und andere Feierabendbeschäftigungen waren beliebt. Die Forstbaumschule verkam ein bisschen und diente fast ausschließlich geschlossenen Gesellschaften für ihre Feiern. Seit 1984 ist der öffentliche Gastronomiebetrieb wieder aufgenommen. Die Forstbaumschule hat ganzjährig geöffnet, bietet eine gutbürgerliche Küche und sonntägliche Dämmerschoppen mit Livemusik. Die Kieler, Junge und Alte, haben wieder ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem im Sommer.

Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Literatur

Haase, Walter

Die Gründung der Forstlehranstalt zu Kiel vor 200 Jahren, in: Die Heimat. Zeitschrift für Natur und Landeskunde von Schleswig-Holstein und Hamburg, Heft 10, 1985, S. 297 ff.

Haase, Walter

Die Forstbaumschule zu Kiel hat zwei Gesichter, in: Die Heimat. Zeitschrift für Natur und Landeskunde von Schleswig-Holstein und Hamburg, Heft 3 und 4, 1999, S. 63 ff.

Hoffmann, Friedrich

Alt-Kiel als Pflegestätte der Garten- und Forstkultur, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 48, 1953-1957, S. 59 ff.

Hübner, Hans

Düsternbrook und das Düvelsbeker Gehölz, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 53, 1958-1962, S. 1 ff.

INKIEL,

Nr. 32, 2007

Kieler Express

vom 26. August 1998

Kieler Nachrichten

vom 25. Februar 1984, vom 1. August 1984, vom 15. November 1988, vom 5. April 1991, vom 3. August 1998, vom 28. August 1998, vom 26. Juli 1999, vom 10. September 2002, vom 2. September 2005

Kieler Zeitung

vom 1. September 1905

Martins, Barbara

Fruchtbaumschule, Forstbaumschule, Düsternbrooker Gehölz. Kultivierung und Ästhetisierung der Kieler Fördelandschaft im Naturverständnis der Aufklärung, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 77, Heft 5, S. 209 ff.

Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung

vom 11. September 1957

Schrader, Friedrich Nicolaus

Reise von Hamburg nach Kiel vom 8.-16.Juni 1828, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 73, 1987-1991, S. 107 f.


Abbildungen: Stadtarchiv Kiel


Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: 1898 | Die Forstbaumschule wird öffentlicher Park und des Erscheinungsdatums 01. August 2008 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=91

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