PFLEGEELTERN IN KIEL GESUCHT
„Geduld und Liebe - ohne wenn und aber.“

Ein Leben ohne Kinder – das konnte sich das Ehepaar E. nicht vorstellen. Aus medizinischen Gründen blieb dem Paar der Kinderwunsch zunächst verwehrt. Die Pflegekinder Lotta und Finn* kamen als Babys zur Familie E.

Christine E. (42 Jahre) berichtet, wie in ihr und bei ihrem Mann Jörg der Entschluss reifte, Kinder in Pflege zu nehmen. Auch schildert sie, wie ihr der Umgang mit den Herkunftsfamilien der Kinder gelingt.

Plakat Wir sind Pflegeeltern, weil wir uns schon immer Kinder gewünscht haben

Was gab bei Ihnen den Anstoß, Kinder in Pflege zu nehmen?

Wir wollten schon immer Kinder. Aber da ich die Gebärmutterkrankheit Endometriose hatte, konnte sich unser Kinderwunsch leider nicht erfüllen.

Anfangs überlegten wir zu adoptieren. Mir wurde knallhart von der Adoptionsbehörde gesagt, dass ich mit meinen damals 34 Jahren zu alt sei. Die Behörde empfahl mir eine Auslandsadoption, für die es keine so strengen Altersbeschränkungen gibt. Da kam ich auf den Gedanken: Kinder brauchen auch in Deutschland Hilfe.

Ich unterhielt mich lange mit einer Bekannten, die Pflegemutter ist. Dann informierten Jörg und ich uns beim Pflegekinderdienst in Kiel. 

Wie nahmen Sie die Vorbereitungszeit auf die Pflegeelternschaft wahr?

Es war ein langer Weg, gut ein halbes Jahr: Wir mussten persönliche Daten offen legen und uns in einem Fragebogen mit der Herkunftsfamilie auseinandersetzen. Ein Mitarbeiter des Pflegekinderdienstes besuchte uns zuhause. Außerdem belegten wir Seminare.

Aber diese intensive Vorbereitungszeit ist richtig: Denn die Kinder kommen aus instabilen Verhältnissen. Sie sollen in eine gute Familie kommen. Auch wenn diese Zeit uns forderte, gab sie uns Kraft. Denn in uns reifte immer mehr der Entschluss, Pflegeeltern zu werden.  

Können Sie sich noch an die Begegnung mit Finn, Ihrem ersten Pflegekind, erinnern?

Alles begann mit einem Anruf von unserer Sachbearbeiterin vom Pflegekinderdienst, als Finn in unsere Familie kam. Ich lag zuhause mit verletzten Fuß auf dem Sofa. Damals arbeitete ich noch Vollzeit als Rechtsanwalts- und Notarangestellte. Dieser Moment war überwältigend: Auf mich stürzten Vorfreude und die Sorge, dem Kind gerecht zu werden, zugleich ein.

Zuerst sah ich Finn im Krankenhaus. Er war wenige Wochen alt und hatte eine schwere Bronchitis. Es war Sünde, ihn so alleine im Gitterbett und mit Kanüle am Kopf zu erleben. Ich blieb im Krankenhaus, damit ich einen Bezug zu ihn aufbauen konnte.

Ein paar Tage habe ich ihn gewickelt, gefüttert und gebadet, bis er nach Hause durfte. Und Jörg musste sich beeilen, dass er in dieser knappen Zeit das Kinderzimmer fertig kriegte. Wenn man schwanger ist, hat man ja Monate im Voraus.

Wir hatten eine Woche Zeit, uns darauf einzustellen, Eltern zu werden. Zwar hatten wir immer schon darauf gewartet, dass ein Pflegekind kommt. Und doch fällt man erst einmal in Gefühlschaos, wenn es soweit ist.  

Wie kam Lotta in Ihre Familie?

Mit Finn lief es so gut. Er ist ein toller, pfiffiger Junge. Da haben wir uns überlegt, noch ein Kind aufzunehmen. Warum sollte Finn alleine bleiben? Lotta kam auch als Baby in unsere Familie. Heute wachsen sie wie Geschwister auf. 

Sie halten nicht nur den Kontakt zum Pflegekinderdienst, sondern auch zu den leiblichen Eltern. Wie sind Ihre Erfahrungen im Umgang mit der Herkunftsfamilie?

Damit sind wir vor den Kindern von Anfang offen umgegangen. Es ist besser, ehrlich zu sein. Wir haben den Kindern erklärt: "Ihr habt leibliche Eltern. Die können sich nicht um euch kümmern." Ich denke, das ist der richtige Weg, wenn sie von Anfang wissen, wer ihre Herkunftsfamilie ist. Das nimmt ihnen viele Zweifel und Fragen über ihre Wurzeln. 

Wie zeigt sich der Umgang mit den leiblichen Eltern im Alltag?

Die Kinder sehen ihre leiblichen Eltern. Wir treffen uns an einen neutralen Ort. Zum Beispiel hat Finn Geschwister, die auch bei Pflegeeltern leben. Alle zwei Monate treffen wir uns mit den anderen Pflegeeltern und seinen Geschwistern.

Wir haben ein tolles Verhältnis. Seine Bauchmama kriegt die Termine. Meistens kommt sie auch. Das ist toll. Dann werden aus diesen Treffen von geplanten zwei auch drei Stunden, weil es so schön ist.

Außerdem habe ich für beide Kinder eine Art Tagebuch angelegt: Wo wurden die Kinder geboren? Wann waren die Treffen mit den leiblichen Eltern? Was waren wichtige Ereignisse? Ich habe auch Fotos eingeklebt von zum Beispiel dem besten Freund, gemeinsamen Ausflügen und von der Herkunftsfamilie.

Aber natürlich kommen auch Sachen rein, die nicht so positiv verliefen wie ein abgesagtes Treffen mit den leiblichen Eltern. Diese Tagebücher stiften ein Stück Identität. Denn Finn und Lotta stellen mit den Jahren auch mehr Fragen zu ihren Wurzeln. Dieses Wissen und die Treffen mit der Herkunftsfamilie sind wichtig für ihre Entwicklung.  

Was möchten Sie anderen mit auf den Weg geben, die überlegen ein Kind in Pflege zu nehmen?

Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen den Mut aufbringen, ein Kind in Pflege zu nehmen. Man muss ins kalte Wasser springen und es einfach versuchen. Als Pflegeeltern braucht man viel Geduld, Gelassenheit und natürlich viel Liebe – ohne wenn und aber. Wir haben unsere Kinder mit offenem Herzen aufgenommen.

Manchmal ist es schwer, das will ich nicht bestreiten. Aber die Kinder geben einem unwahrscheinlich viel wieder. Die Angst, es nicht zu schaffen, ist unbegründet. Man wächst mit der Aufgabe und kriegt von allen Seiten viel Unterstützung. Unsere Familie, Freunde und unsere Chefs – alle machen toll mit. Lotta und Finn sind Enkelkinder, Geschwister, Freunde und Nachbarn.

Es besteht kein Unterschied zwischen Pflegekind oder leiblichem Kind. Wir führen ein ganz normales Familienleben: Mit Freunde treffen, Hausaufgaben machen und auch mal Geschwistergezänke.

Liebe Frau E., vielen Dank für das Gespräch.


*Die Namen der Kinder wurden verändert.