Nachhaltiges Kiel

Wir machen Zukunft

In Kiel gibt es viele engagierte Menschen, die sich mit guten Ideen und viel Tatendrang dafür einsetzen, dass unsere Fördestadt nachhaltig und zukunftsfähig wird.

Jeden Monat stellen wir eine*n Kieler Zukunftsmacher*in in einem Kurzinterview vor. Sie kennen Leute, die unbedingt dazugehören? Dann lassen Sie uns das gerne wissen.

Mai 2022 Josefine Scotti - Bahnhofsmission

Eine Frau vor einer Wand
Josefine Scotti, Foto: Viktoria Michel

Was hat Dich nach Kiel geführt?

Ich bin vor acht Jahren von meiner Heimatinsel Sylt nach Kiel zum Studieren gezogen. Mir war direkt bewusst, dass ich in einer Stadt mit Kleinstadtcharakter, nah an der Heimat und direkt am Meer leben möchte. 

Über die Jahre habe ich Kiel immer mehr zu schätzen gelernt: Mir gefällt die Natur und die Menschen die in Kiel leben, aber vor allem die Möglichkeiten und Angebote die junge Kieler*innen haben. All das verleitet mich dazu zu bleiben und hier meinen neuen Lebensmittelpunkt zu verfestigen.

Was genau machst Du?

Ich habe Stadt- und Regionalentwicklung studiert und mich in diesem Zuge schon früh mit Nachhaltigkeit und gesellschaftsrelevanten Themen auseinandergesetzt. Nach meinem Studium habe ich als Quartiersmanagerin beim Diakonischen Werk Altholstein begonnen. 

Durch einen glücklichen Zufall, habe ich nur kurze Zeit später zur Bahnhofsmission gewechselt und bin nun seit Dezember 2021 die Gesamtkoordinatorin und Projektmanagerin der Bahnhofsmissionen in Kiel, Neumünster, Itzehoe und Mobil-SH beim Diakonischen Werk Altholstein. Die Bahnhofsmissionen sind kostenlose Anlaufstellen für hilfesuchende Personen an über 100 Bahnhöfen in ganz Deutschland.

Die Bahnhofsmission Kiel gehört hierbei zu den drei ältesten Bahnhofsmissionen Deutschlands und besteht bereits seit 125 Jahren. Die über 50 Ehrenamtlichen, an den von mir betreuten Standorten, stehen für jedes Anliegen bereit. 

Dabei gibt es nichts, wobei wir nicht helfen: Wir leisten Ein-, Aus- und Umsteigehilfen, begleiten mit unserer Bahnhofsmission Mobil-SH in den Zügen, helfen in Notlagen und bei besonderen Schwierigkeiten , zusätzlich haben wir die Möglichkeiten Menschen an Beratungs- und Fachstellen sowie anderen sozialen Einrichtungen vor Ort zu vermitteln.

Hierbei wird niemand von unserer Hilfe ausgegrenzt. Ob Reisende, Rentner*innen, Obdachlose oder allgemein Personen in Notlagen - Die Bahnhofsmission Kiel ist ein Ort des herzlichen Zusammenkommens und der unabdingbaren Hilfe. Neu hinzugekommen zu unserem Aufgabenspektrum ist die Erstversorgung und Weitervermittlung von Geflüchteten. 

Bereits 2015 hat sich gezeigt, dass wir am Bahnhof einiges bewegen und zum Schutz der Geflüchteten beitragen können. Dies ist auch jetzt unser größter Anspruch und zeigt sich in den Zahlen der Kontakte mit Geflüchteten: In Kiel, Neumünster und Itzehoe haben wir in den letzten Wochen schon knapp 1.000 Personen sicher an Erstaufnahmestellen und andere Institutionen weitervermittelt.

Mein Alltag ist demnach nie zu planen, birgt immer neue Herausforderungen und bringt sehr schöne Geschichten mit sich. Besonders stolz bin ich in diesem Zusammenhang auf die Ehrenamtlichen der Bahnhofsmissionen, die jegliche Situationen geschult und mit Professionalität meistern. 

Sie verrichten ihre Arbeit bedingungslos mit vollem Tatandrang. Meine Aufgabe ist es, sie auf unterschiedlichste Situationen vorzubereiten oder ihnen im Nachgang ein offenes Ohr zu bieten. Leid und Freude ist in der Arbeit der Bahnhofsmission ganz nah beieinander und trotzdem gehen alle mit einem Lächeln heraus.

Welche SDGs sind von Deinem Engagement besonders berührt?

Das SDG 10 Weniger Ungleichheiten berührt unser Engagement am meisten. Die Arbeit, welche wir am Bahnhof leisten, bezieht jede Person gleichermaßen ein. Wir grenzen niemanden aus und begegnen jedem auf Augenhöhe. Gleichzeitig versuchen wir benachteiligte Personengruppen, die sich unliebsam, ausgegrenzt und nutzlos fühlen, stärker in den Fokus zu rücken und ihnen Gehör zu verschaffen. Jede Person soll sich bei uns willkommen fühlen. Das schließt meiner Meinung nach das SDG 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden und SDG 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen mit ein, indem wir die Gesellschaft der Stadt Kiel zukunftsorientiert und mit Würde behandeln.

Die SDGs 1 Keine Armut, SDG 2 Kein Hunger und SDG 3 Gesundheit und Wohlergehen sind zentrale Punkte unserer Arbeit, auch wenn wir nur indirekt einen Beitrag hierzu leisten, indem wir den ankommenden Personen am Bahnhof bei ihren Anliegen in diesem Kontext behilflich sind und an Institutionen weitervermitteln. Dies geht nicht ohne die Mithilfe anderer Akteure. Zum einem wird die Bahnhofsmission Kiel vom Diakonischen Werk Altholstein in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband getragen, zum anderen arbeiten wir mit unterschiedlichsten Institutionen, insbesondere in den Themenfeldern Obdachlosigkeit, Migration und Senior*innenarbeit, zusammen.

Frau auf dem Bahnhofssteig
Josefine Scotti, Foto: Viktoria Michel

Warum findest du Nachhaltigkeit wichtig?

Weil Nachhaltigkeit jetzt und in Zukunft unser Leben bestimmen muss.

Durch die Globalisierung, Digitalisierung, den Klimawandel und weltweit auftretende Konflikte und Herausforderungen, ist die Nachhaltigkeit ein Aspekt, der nicht mehr aus dem alltäglichen Leben wegzudenken ist und bereits in allen Bereichen des Lebens sichtbar wird. 

Wir tragen die Verantwortung für uns und künftige Generationen. Mit unserem Handeln müssen wir heute etwas bewegen. Tun wir dies nicht, zerstören wir alles was wir haben, ohne richtig hingeschaut zu haben. Ganz konkret in meinem Kontext ist die Gleichberechtigung, Akzeptanz und Teilhabe jeder Person am Leben ein wichtiger Schritt in eine nachhaltige Zukunft auf der sozialen Ebene.

Nachhaltigkeit bedeutet nämlich neben ökologischen und ökonomischen Aspekten auch den Menschen in das Gespann mit einzubeziehen. Was für mich persönlich nicht bedeutet, dass ich andere Faktoren nicht genauso wichtig finde. 

Der Mensch darf nur nicht vergessen werden, denn genau hier fängt alles an, was wir für eine nachhaltige Zukunft bewegen können.

Kiel 2030 - was ist Deine Vision für unsere Stadt?

Man sagt so schön, dass Bahnhöfe die Tore der Städte sind. Ich frage mich im Kontext der Bahnhofsmission also, wie der Bahnhof der Zukunft mit all seinen ökologischen, ökonomischen und sozialen Komponenten in Einklang gebracht und attraktiv gestaltet werden kann. 

Für mich bedeutet dies nicht, dass Bahnhöfe zu Freizeitparks gestaltet und „unerwünschte“ Personengruppen vertrieben werden. Bahnhöfe vereinen Menschen jeden sozialen Hintergrundes und machen hieraus ein spannendes sozialkulturelles Geflecht. Dies sollte man als Chance sehen.

Für all diese Personen müssen die Angebote ausgeweitet werden, sodass jede*r sichtbar gemacht wird und sich als Teil der Stadt Kiel fühlt. Solange Menschen auf ihre Herkunft und ihre finanziellen Möglichkeiten limitiert werden oder sich nicht trauen, um Hilfe zu bitten, herrscht keine Gleichberechtigung. 

Das bedeutet, dass wir den Bahnhof in Zukunft als Quartier sehen müssen, welcher mit starken Netzwerken und gegenseitiger Unterstützung Chancengleichheit ermöglicht. Liebe, Akzeptanz und Zusammenhalt sind in jeglicher Hinsicht hier wichtige Stichworte.

Meine ganz persönliche Vision für unsere Stadt ist darüber hinaus die Ausweitung von Grün- und Kulturflächen und gleichzeitig den Rückzug des motorisierten Individualverkehrs. Vorhaben, wie sie beispielsweise an der nördlichen Kiellinie geplant sind, finde ich hierbei besonders attraktiv und sinnvoll für eine Stadt wie Kiel, die diese unmittelbare Lage an der Förde bietet. 

Außerdem bin ich ein großer Fan von jeglicher Elektromobilität und wünsche mir einen intensivierten Ausbau dieser Strukturen, sodass wir uns 2030 keine Gedanken mehr über Benzin und Diesel machen müssen. 

In meiner Freizeit beschäftige ich mich zudem mit Minimalismus und nachhaltigem Konsum. Fast-Fashion, Möbel nach einer kurzen Dauer neukaufen zu müssen und im Konsum zu schwimmen, würde ich gerne aus der Gesellschaft 2030 verbannen. Sharing, Second-Hand oder aus alten Materialien Neues erschaffen bringt darüber hinaus viel mehr Spaß!

Optimistisch betrachtet sind die Einwohner*innen Kiels 2030 bewusst im Umgang mit Ressourcen, ob materiell oder personell.


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