Nachhaltiges Kiel

Wir machen Zukunft

In Kiel gibt es viele engagierte Menschen, die sich mit guten Ideen und viel Tatendrang dafür einsetzen, dass unsere Fördestadt nachhaltig und zukunftsfähig wird.

Jeden Monat stellen wir eine*n Kieler Zukunftsmacher*in in einem Kurzinterview vor. Sie kennen Leute, die unbedingt dazugehören? Dann lassen Sie uns das gerne wissen.

Februar 2021 Karin Helmer - stadt.mission.mensch

Karin Helmer
Foto: Stefan Irle

Was hat Dich nach Kiel geführt?

Ich bin schon mein ganzes Berufsleben in den Bereichen Gesundheit und Soziales unterwegs und war für unterschiedliche Träger und Organisationen tätig. 

Neue Aufgaben und das Initiieren innovativer, sozialer Projekte hat mich dabei immer am meisten gereizt. Seit 2010 bin ich in leitender Funktion bei der Evangelischen Stiftung Alsterdorf tätig. Die Stiftung ist ein diakonisches Dienstleistungsunternehmen mit rund 6.500 Mitarbeitenden, mit Angeboten in Hamburg, Schleswig-Holstein und eben auch in Kiel, wo sie mit der stadt.mission.mensch gGmbH vertreten ist. 

2015 habe ich die Geschäftsführung der Stadtmission übernommen - dies hat mich nach Kiel geführt!

Was genau machst Du?

Ich trage als Geschäftsführerin die Gesamtverantwortung sowohl für unsere circa 370 Mitarbeitenden als auch für die Menschen, die der Hilfe und Unterstützung der Stadtmission bedürfen. Unsere Klienten sind alte, pflegebedürftige, wohnungslose, chronisch psychisch kranke, suchtkranke, straffällig gewordene und langzeitarbeitslose Menschen und ihre Familien. Wir sind auch in anderen Orten Schleswig-Holsteins tätig, das Zentrum unserer Arbeit liegt aber in Kiel. 

Unsere Angebote orientieren sich konkret an den Bedürfnissen der Menschen – mit unserer Arbeit gestalten wir das Zusammenleben, -arbeiten und -wohnen in unserer Stadt. Als Geschäftsführerin bin ich für die Ausrichtung und Finanzierbarkeit der Angebote zuständig, koordiniere die verschiedenen Arbeitsbereiche, bringe neue Projekte auf den Weg, sorge für eine positive, wertschätzende Unternehmenskultur und vieles mehr. 

Ein Unternehmen wie die Stadtmission braucht Partner*innen, Unterstützer*innen, Bündnisse, Kooperationen und Vernetzung und nicht zuletzt ein offenes Ohr bei Verantwortlichen der Stadt Kiel und des Landes Schleswig-Holstein: Auch diese Netzwerkarbeit gehört zu meinen Aufgaben.

Welche SDGs sind von Deinem Engagement besonders berührt?

Das sind aufgrund der vielen Arbeitsfelder der Stadtmission gleich mehrere: Viele Menschen, mit denen wir arbeiten, kommen aus sozial schwachen Umgebungen und leben an der Armutsgrenze SDG 1. Der Bereich Gesundheit (SDG 3) ist bei der Arbeit der Stadtmission natürlich eins der Hauptthemen, da viele unserer Klient*innen suchterkrankt sind oder an einer chronischen psychischen Krankheit leiden. 

Weiterhin helfen wir Menschen und ihren Familien, die durch Langzeitarbeitslosigkeit (SDG 4), Wohnungslosigkeit oder Straffälligkeit in eine schwierige Lebenslage geraten sind und geben ihnen eine neue Perspektive (SDG 4, SDG 10 und SDG 11).

In Kooperation mit anderen Akteur*innen schaffen wir stadtteilbezogene Angebote, wie die Sozialkirche und den Sport- und Begegnungspark Gaarden . Weiterhin betreiben wir Einrichtungen wie das Van der Camer-Haus für psychisch kranke Menschen, eine Beratungsstelle für Frauen (SDG 5) und sind im Auftrag der Stadt für die Versorgung der wohnungslosen Menschen in Kiel zuständig.

In unserem ECHT.GUT.-Kaufhaus  und der angeschlossenen Werkstatt werden gespendete Gebrauchtwaren aufbereitet und an bedürftige Menschen weiterverkauft. Waren, die nicht mehr repariert und verkauft werden können, dienen als wertvolle Rohstoffe. Durch kreatives Upcycling werden hier viele eigene Produkte hergestellt (SDG 12).

Wir versuchen auf vielen Wegen Lücken zu schließen und Öffentlichkeit zu erzeugen - und wir müssen dabei flexibel auf Herausforderungen (wie zum Beispiel die Corona-Pandemie) und soziale Nöte reagieren.

SattMission-Mobil, Photographin: Anne Juka
SattMissions-Mobil - Photographin: Anne Juka

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und hier einige Projekte, die in letzter Zeit zusätzlich zur “normalen” Arbeit der Stadtmission ins Leben gerufen wurden, vorzustellen: Um die Auswirkungen der Schließung der Angebote wie Mittagstische und Tafeln auf wohnungslose Menschen während des ersten Lockdowns im März 2020 zu kompensieren, haben wir - sozusagen über Nacht - das spendenfinanzierte Projekt "SattMission" ins Leben gerufen (SDG 3, SDG 11). 

Zu Spenden für das Projekt wurde unter dem Motto „1x spenden, 2x helfen“ aufgerufen. Denn auch die Gastronom*innen, die durch die Corona-Maßnahmen mit massiven Einbußen zu kämpfen hatten, sollten von dieser Aktion profitieren. Die Spendenbereitschaft von Firmen und Privatleuten sowie die Unterstützung durch viele Ehrenamtliche und die teilnehmenden Gastronom*innen war enorm! So konnten wir bis zu 400 wohnungslose Menschen und Familien täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgen, insgesamt wurden 35.000 Mahlzeiten zubereitet und ausgeliefert.

Aus der "SattMission" ist inzwischen das Projekt "SattMission-Mobil"  geworden: Wir haben mit Unterstützung der NDR-Aktion "Hand in Hand für Norddeutschland" einen Foodtruck - unser SattMissions-Mobil" - angeschafft. Hiermit soll die Versorgung wohnungsloser Menschen in Notsituationen (Lockdown oder ähnliches) sichergestellt werden. 

Auch über eventuelle Notsituationen hinaus, gibt es vielfältige Einsatzmöglichkeiten für das SattMissions-Mobil (SDG 11): Der Sport- und Begegnungspark Gaarden könnte durch das SattMissions-Mobil mit Kinderkochkursen, Essensversorgung bei Events aufgewertet werden. 

Das Sattmissions-Mobil kann als Arbeits-/Beschäftigungsmöglichkeit für Menschen mit Behinderung dienen. An unserer stationären Einrichtung "van der Camer-Haus" in Kiel-Hassee könnte das Mobil zum Beispiel als eine Art "Hofladen" genutzt werden und die Klient*innen dadurch eine sinnstiftende Beschäftigung finden. Auch Arbeitsprojekte für langzeitarbeitslose Menschen sind denkbar. Ideen haben wir genug!

Konzert gegen die Kälte: stadt.mission.mensch
Konzert gegen die Kälte: stadt.mission.mensch

Auch unsere jährlich stattfindende Benefizveranstaltung "Kieler Konzert gegen die Kälte" zugunsten wohnungsloser Menschen möchte ich hier erwähnen. Leider musste das Konzert im vergangenen Jahr coronabedingt ausfallen, wir hoffen aber, das in diesem Jahr nachzuholen, denn mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Eintrittskarten wollen wir einen Großteil unseres Frauen-Wohnprojekts "Tiny House" (SDG 5, SDG 11) finanzieren:

In zu Tiny Houses umgebauten Wohn-Containern sollen zwei Frauen ein Zuhause auf Zeit finden. Das Studentenwerk Schleswig-Holstein stellt das Grundstück dafür zur Verfügung. Das Projekt möchte dabei bewusst zwei Frauen aus unterschiedlichen Lebenswelten zusammenführen: eine wohnungslose Klientin der Stadtmission und eine Studienanfängerin. Beide haben es schwer, in Kiel eine bezahlbare Unterkunft zu finden. 

Beiden dient der Einzug in die Tiny Houses als Sprungbrett: Für die eine ist es ein erster Schritt aus der Wohnungslosigkeit, für die andere eine erste Wohnmöglichkeit, um von hier aus etwas Langfristiges zu finden. Mit den Tiny Houses schaffen wir eine Übergangswohnmöglichkeit für die Frauen, mit dem Ziel, dass hier eine solidarische Wohnpartnerschaft entsteht - beiden bietet das Projekt neue Chancen und die Veränderung des Blickwinkels. Sobald der Sprung in eine „richtige“ Wohnung geschafft ist, sollen die nächsten zwei Frauen einziehen.

Tiny House: stadt.mission.mensch
Tiny House: stadt.mission.mensch

Warum findest du Nachhaltigkeit wichtig?

Die Frage nach der Wichtigkeit von Nachhaltigkeit erübrigt sich eigentlich. Warum sägt man nicht den Ast ab, auf dem man sitzt? Warum zerstört man nicht seine eigenen Lebensgrundlagen?

Es geht um unsere Zukunft und die unserer Kinder. Und die Frage: Wie wollen wir leben? Das schließt alle Bereiche des Lebens mit ein: Ökonomie, Ökologie, und Soziales. In einer lebenswerten Welt muss für eine gerechte Verteilung, für einen Ausgleich von Arm und Reich, für eine gleichwertige Berücksichtigung der Interessen der jetzigen und der zukünftigen Generationen gesorgt werden. Wir können aber nicht auf die Erfüllung dieser Vision "warten", hierfür müssen wir im Hier und Jetzt etwas tun – und zwar jede*r einzelne von uns.

Kiel 2030 - was ist Deine Vision für unsere Stadt?

Ich bin Realistin – aber auch Optimistin! Es ist in letzter Zeit viel Bewegung in die richtige Richtung festzustellen. Immer mehr Menschen engagieren sich, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit schärft sich. In 2030 wird sicher vieles von dem, was heute noch als "Spinnkram" abgetan wird, Realität sein. Der motorisierte Individualverkehr wird massiv zurückgegangen sein, die Schiffe stinken nicht mehr nach Abgasen, es ist ruhiger.

Kiel ist inzwischen eine Fahrradstadt. Wut, Hass, Hetze und Ausgrenzung sind in unserer Gesellschaft hoffentlich einem wohlwollenden, inklusiven und toleranten Miteinander gewichen. Vielleicht sind auch einige der Aufgaben der Stadtmission dann nicht mehr nötig: Wohnungslosigkeit gibt es womöglich nicht mehr, da intensiv in nachhaltigen, sozialen Wohnungsbau investiert wurde!


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