Nachhaltiges Kiel

Wir machen Zukunft

In Kiel gibt es viele engagierte Menschen, die sich mit guten Ideen und viel Tatendrang dafür einsetzen, dass unsere Fördestadt nachhaltig und zukunftsfähig wird.

Jeden Monat stellen wir eine*n Kieler Zukunftsmacher*in in einem Kurzinterview vor. Sie kennen Leute, die unbedingt dazugehören? Dann lassen Sie uns das gerne wissen. 

September 2019: Nina Lage-Diestel – Glückslokal

Portraitfoto vor Regalen mit Porzellan
Foto: Sara Ghazi Alkoud

Was hat dich nach Kiel geführt?

Ich bin in Kiel geboren und habe meine ersten Lebensjahre in Förde-Nähe verbracht. Nach meiner Schulzeit in Kronshagen habe ich mich an der Christian Albrecht–Universität eingeschrieben. 

Spätestens seit wir im Jahr meines Magisterabschlusses das Glückslokal gegründet haben, steht für mich fest, dass ich mein Leben hier verbringen möchte: Einmal Kieler Sprotte, immer Kieler Sprotte!

Was genau machst du?

Ich habe 2014 den Verein Glückslokal mitgegründet und bin dort seit 2018 für die Geschäftsführung angestellt. In meiner Freizeit arbeite ich zusätzlich ehrenamtlich im Glückslokal und organisiere die Öffnungszeiten mit.

Der Verein ist eine Sharing-Community, in der man alles verschenken kann, was man nicht mehr benötigt, wie zum Beispiel Kleidung, Bücher, Porzellan, Kosmetik oder Kinderspielzeug.

Als Vereinsmitglied kann man sich wiederum bei jedem Besuch drei Artikel aussuchen und mitnehmen - ganz ohne Kauf oder Tausch.

Wenn wir dienstags und donnerstags von 16-19 Uhr und jeden 1. und 3. Sonntag im Monat von 14-17 Uhr geöffnet haben, ist in unseren Räumlichkeiten in der Alten Mu immer ordentlich was los.

Viele unserer mehr als 900 Vereinsmitglieder kommen regelmäßig vorbei, um nach Second-Hand-Schätzen zu stöbern.

Welche SDGs sind von deinem Engagement besonders berührt?

Ganz klar Ziel 12: Nachhaltiger Konsum! Im Glückslokal werden Gebrauchsgegenstände, die nicht mehr genutzt werden, in den Konsumkreislauf zurückgeführt und durch die Vermeidung vom Neukauf eine ganze Menge Ressourcen eingespart.

Im Durchschnitt besitzen wir alle 10.000 Dinge. Das verstaubte Buch im Regal, das Kleid, das vor 5 Jahren perfekt passte oder auch das Spielzeug für Kleinkinder, mit dem der jugendliche Sohn schon lange nicht mehr spielt - Wir bewahren häufig wahnsinnig viele überflüssige Dinge auf.

Spätestens seit Marie Kondo auf Netflix fragt „Does it spark joy?“ ist strategisches Aufräumen und Aussortieren im Trend. Die Problematik: Wohin mit dem ganzen Zeug? Unsere aussortierten Konsumgüter sind meist sauber und heil und gehören nicht in den Mülleimer!

Jeder kann einen kleinen Beitrag zur Müllreduktion beitragen und unsere schöne Stadt nachhaltiger gestalten. Also: Ab mit den guten ungenutzten Dingen ins Glückslokal, wir schenken Second-Hand ein neues Leben!

Im Glückslokal geht es allerdings nicht ausschließlich um das Schonen von Ressourcen und die effiziente (Weiter-)Nutzung von Gebrauchsgegenständen, sondern auch um ein gemeinschaftliches Umdenken, um einen Wertewandel. Täglich treffen wir Konsumentscheidungen, mit denen wir potenziell den Klimawandel begünstigen.

Wir können es uns nicht mehr leisten, ohne Rücksicht auf unsere Umwelt zu leben. Das Bewusstsein für einen achtsamen Umgang mit Konsum entsteht jedoch meist nicht von heute auf morgen, sondern in einem Prozess, in vielen kleinen Schritten.

Um regelmäßig zu üben, wie Konsumentscheidungen kritisch getroffen werden können, kann jedes Vereinsmitglied nur eine begrenzte Anzahl von Sachen pro Besuch mitnehmen. So können wir uns immer wieder selbst hinterfragen „Was brauche ich wirklich? Was macht mich glücklich?“ und perspektivisch ein nachhaltiges Konsummuster erlernen.

Warum findest du Nachhaltigkeit wichtig?

Wir haben lange genug in einer Überfluss- und Wegwerfgesellschaft gelebt. Es ist Zeit zu handeln und jede*r kann bei sich selbst anfangen.

Mir ist Nachhaltigkeit wichtig, weil ich für mein eigenes Handeln Verantwortung übernehmen will. Und ich möchte lieber Teil einer Bewegung sein, die aktiv eine lebenswerte Zukunft mitgestaltet, als den Kopf in den Sand zu stecken und darauf zu hoffen, dass „die Anderen“ sich schon kümmern werden.

Seit ich mich täglich mit Nachhaltigkeit auseinandersetze, hat sich meine Lebensqualität auf jeden Fall erhöht. Ich ernähre mich gesünder, fahre häufiger mit dem Fahrrad, produziere kaum noch Müll und gebe nicht mehr ständig Geld für Dinge aus, die ich gar nicht brauche.

Für mich ist auch Suffizienz ein wichtiges Thema. Daher habe ich den Großteil meines Besitzes verschenkt und nur das behalten, was ich wirklich nutze. Davon abgesehen, dass ich durch eine nachhaltigere Lebensweise Umwelt und Mitmenschen weniger schade, empfinde ich es auch einfach als Bereicherung für mein eigenes Leben.

Kiel 2030 - was ist Deine Vision für unsere Stadt?

Wir schreiben das Jahr 2030, die Zero-Waste-Stadt Kiel grünt und blüht. Die Innenstadt ist autofrei, stattdessen fährt unsere elektrische Straßenbahn regelmäßig durch die City. Überall gibt es neue Fahrradstrecken, auf denen das Radfahren richtig Spaß macht. Für alle Besucher*innen der Stadt stehen Leihräder bereit, auch Lastenräder kann man überall leihen.

Durch die ausreichenden Carsharing-Angebote haben die Kieler*innen kaum noch eigene Autos, auf den vielen frei gewordenen Parkplatz-Flächen organisieren sie gemeinschaftlich Urban-Gardering-Projekte oder Spielgruppen für Kinder. Mehrere Anlagen im Stil des Alten Botanischen Gartens sorgen für Entschleunigung und bieten sich für einen Moment zum Durchatmen im Grünen an, auf den Mini-Wiesen auf Bushaltestellendächern summen Bienen.

In der Holstenstraße laden kleine Restaurants und Cafés zum veganen oder vegetarischen Snacken und Schnacken ein. Im Nachhaltigkeits-Kaufhaus werden regionale langlebige Produkte angeboten. Zahlreiche Leih-Läden erfreuen sich an einem regen Betrieb. Leih-Läden? Was gibt’s denn da zum Ausleihen? Zum Beispiel Werkzeug, Sportausrüstungen oder auch Elektrogeräte, eigentlich alles, was man nicht tagtäglich, sondern nur manchmal benötigt.

Verschiedene Reparaturdienstleister bewahren Schuhe, Handys, Kleidung etc. vor der Mülltonne, nebenan werden DIY-Workshops angeboten. Auch eine Bibliothek befindet sich vor Ort. Die Kieler*innen besuchen regelmäßig einen der Standorte vom Glückslokal, um nach Second-Hand-Schätzen zu stöbern und verschenken dort alles, was sie nicht mehr nutzen. Weil Teilen das neue Besitzen ist!


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