EHRENBÜRGERSCHAFT ABERKANNT
Paul von Hindenburg
(1847 - 1934)

Paul von Hindenburg | Abbildung: Postkarte, Stadtarchiv Kiel

Reichspräsident & Generalfeldmarschall

* 02.10.1847 Posen
02.08.1934 Neudeck (Ostpreußen)

Verleihung der Ehrenbürgerwürde am 20.07.1933, durch Beschluss vom 16.01.2014 aberkannt

Paul von Beneckendorff und von Hindenburg wurde am 2. Oktober 1847 in Posen als Sohn einer preußischen Offiziers- und Gutsbesitzerfamilie geboren. Nach einem zweijährigen Besuch des Gymnasiums in Glogau erfolgte seine Ausbildung in der Kadettenanstalt in Wahlstatt/Kreis Liegnitz und in Berlin. Als junger Offizier nahm Hindenburg an den Kriegen 1866 und 1870/71 teil, besuchte dann die Kriegsakademie und wurde 1878 bis 1884 und wieder 1885 in den Generalstab versetzt, 1889 ins Kriegsministerium.

1893 erfolgte die Ernennung zum Kommandeur des oldenburgischen Infanterieregiments, 1896 zum Generalstabschef des 8. Armeekorps in Koblenz. 1900 war Hindenburg Generalleutnant und Divisionskommandeur in Karlsruhe. 1903 wurde er zum Kommandierenden General der 4. Armee in Magdeburg ernannt und 1911 aus dem Dienst verabschiedet.
 


Der "Sieger von Tannenberg"

Bei Kriegsausbruch 1914 wurde General Hindenburg reaktiviert. Der 67-Jährige erhielt am 22. August 1914 die Führung der 8. Armee. Stabschef war Erich Ludendorff. Beiden gelang es, die tief nach Ostpreußen eingedrungenen russischen Truppen vom 23.-31. August 1914 bei Tannenberg vernichtend zu schlagen.

Fortan galten sie als Befreier Ostpreußens, zu denen das deutsche Volk großes Vertrauen hatte. Nach neueren Forschungen kommt der Stuttgarter Historiker Wolfram Pyta zu der Auffassung, dass sich Hindenburg nach der Schlacht eigenständig seinen Mythos als „Sieger von Tannenberg“ schuf. Am 1. November 1914 wurde Hindenburg zum Oberbefehlshaber aller deutschen Streitkräfte im Osten und am 27. November zum Generalfeldmarschall befördert.

Seit Sommer 1916 bildeten Hindenburg und Ludendorff die 3. Oberste Heeresleitung (OHL), die nicht nur militärische, sondern zunehmend auch politische Entscheidungen traf. „Die Politik hat der Kriegsführung zu dienen“, war der Standpunkt Ludendorffs. Als der Krieg verloren war, riet Hindenburg Kaiser Wilhelm II. zum Exil nach Holland. Hindenburg blieb auf seinem Posten und leitete die Rückführung des deutschen Westheeres in die Heimat. Im Juni 1919 legte Hindenburg seinen Oberbefehl nieder.

Im November 1919 erklärte Hindenburg vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dass die Ursache der deutschen Niederlage darin gelegen habe, dass die im Feld unbesiegte Armee durch die Novemberrevolutionäre von hinten erdolcht worden sei. Diese Dolchstoßlegende, obwohl sachlich völlig haltlos, fand in der Weimarer Republik vor allem in rechtsnationalen Kreisen breite Anerkennung, auch die Nationalsozialisten nutzen sie für ihre Propaganda.
 


"Steigbügelhalter Hitlers"

Im Jahre 1925 starb Reichspräsident Friedrich Ebert. Die Rechten, einschließlich der Nationalsozialisten, stellten im 2. Wahlgang Hindenburg, den populären Sieger von Tannenberg, als Kandidaten für die Nachfolge Eberts auf. Mit 14.7 Millionen Stimmen siegte er über den Zentrumspolitiker Wilhelm Marx (13,75) und den Kommunisten Ernst Thälmann (1,9). Die Wahl Hindenburgs zeigte den politischen Rechtsrutsch in der Weimarer Republik und die Sehnsucht weiter Teile der Bevölkerung nach der „guten alten Zeit“. Obwohl Hindenburg der Monarchie verhaftet blieb, leistete er den Eid auf die demokratische Weimarer Verfassung und verhielt sich in seiner ersten Amtsperiode ihr gegenüber loyal.

Während der Weltwirtschaftskrise und deren wirtschaftlichen Schwierigkeiten zerbrach in Deutschland 1930 die große Koalition. Die demokratischen Parteien zeigten sich unfähig zu Kompromissen. Der Reichstag entmachtete sich selbst. Nun ernannte Hindenburg den Zentrumsabgeordneten Heinrich Brüning zum Reichskanzler, ohne das Parlament einzuschalten. Der Weg der Präsidialkabinette war beschritten.

Auch die folgenden Reichskanzler Schleicher und von Papen waren allein vom Vertrauen des Reichspräsidenten abhängig. Wie gefährdet das demokratische System der Weimarer Republik war, zeigt die Reichspräsidentenwahl 1932. Hindenburg war dieses Mal Kandidat der gemäßigten republikanischen Parteien Zentrum, SPD, DVP, BVP. Er erhielt im 2. Wahlgang 53 Prozent der Stimmen gegenüber Hitler (36,8 Prozent) und dem Kommunisten Thälmann (10,2 Prozent).

Am 30. Januar 1933 ernannte Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler. Wolfram Pyta kommt zu der Erkenntnis, dass Hindenburg dabei im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und auch nicht den Einflüsterungen seiner Umgebung ausgesetzt war. „Der Reichspräsident war nie eine Marionette in den Händen seiner Berater.“ „Hinter Hitlers Ernennung steckte eine rationale Entscheidung Hindenburgs: Er sah die Chance, statt einer allein auf die präsidiale Macht gestützten autoritären Regierung seine Vision von der 'Volksgemeinschaft' zu verwirklichen.“

Er hoffte, die politischen Verhältnisse der Weimarer Republik zu überwinden und eine innere Einigung des deutschen Volkes, wie sie scheinbar im August 1914 bestanden hatte, zu verwirklichen. „Er wollte die völlig zerstrittene Rechte zusammenführen – das ging in seinen Augen nur mit einem Kanzler Hitler“ (Pyta).

Damit war Hindenburg wissentlich „Steigbügelhalter“ Hitlers. Hindenburg starb am 2. August 1934 auf Gut Neudeck/Ostpreußen.

 

Ehrenbürger Kiels

Im Juli 1933 erhielt Hindenburg zusammen mit Hitler die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kiel „in Würdigung seiner um die Wiedergeburt und den Wiederaufstieg des Deutschen Volkes und Reiches geleisteten Verdienste“. Weder bei Hitler noch bei Hindenburg ist ein persönlicher Bezug zur Stadt Kiel zu erkennen. Während Adolf Hitler im Jahre 1945 die Ehrenbürgerschaft aberkannt wurde, behielt Hindenburg sie.

Schon im Jahre 1933 erfolgte die Umbenennung des Strandweges an der Kieler Förde in Hindenburgstraße, später dann in Hindenburgufer. Der Hamburger Historiker Nils Hinrichsen vertrat 2008 die Ansicht, dass nach den Forschungsergebnissen von Wolfram Pyta eine Diskussion um die Benennungen von Straßen, Plätzen und Gebäuden nach Hindenburg notwendig sei. Diese Diskussion wurde seit 2013 intensiv in Kiel geführt.
 


Aberkennung der Ehrenbürgerschaft - Umbenennung des Hindenburgufers

Im Januar 2013 stellte die Fraktion der Linken in der Ratsversammlung den Antrag, Hindenburg die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen und ein Verfahren zur Umbenennung des Hindenburgufers einzuleiten. SPD, CDU, Grüne und der SSW beschloss daraufhin, dass die Verwaltung die Bedeutung, die Hindenburg für Kiel gehabt hatte, darstellen und eine Informationsveranstaltung organisieren sollte. Das Stadtarchiv stellte fest: „Hindenburg hatte keinerlei besonderes Verhältnis zu Kiel. Vielmehr wollten die Nationalsozialisten 1933 Hindenburgs Rolle bei der sogenannten Machtergreifung würdigen.“

Um eine sachliche Grundlage für die Diskussion zu haben, wurde der Hindenburg-Biograf Prof. Wolfram Pyta aus Stuttgart zu einem Vortrag eingeladen. In verschiedenen Gremien fanden lange und fundierte Auseinandersetzungen mit dem Thema statt, an denen sich auch Bürger beteiligten. Im Januar 2014 beschlossen SPD, Grüne und Linke mehrheitlich in der Ratsversammlung die Umbenennung des Hindenburgufers. Gemeinsam mit der CDU-Fraktion wurde entschieden, Hindenburg aus der Liste der Ehrenbürger zu streichen. Der bereits für einen Teil der Fördepromenade bestehende Name "Kiellinie" wurde auf das gesamte Hindenburgufer übertragen. Die Umbenennung und ihre Hintergründe sollen durch die Schaffung eines außerschulischen Lernorts dokumentiert werden.


Text: Christa Geckeler


Literatur & Zeitungen

  • Stadtarchiv Kiel Akte Nr. 34461: Ehemalige Kieler Ehrenbürger, Hindenburg/Hitler
  • Hinrichsen, Nils: Vom Mythos zum Markenzeichen. Hitlers Steigbügelhalter Hindenburg als Namenspatron für öffentliche Orte in Schleswig-Holstein, in: „Siegeszug in der Nordmark“. Schleswig-Holstein und der Nationalsozialismus 1925-1950. Schlaglichter – Studien – Rekonstruktionen, Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte, Heft 50, hrsg. vom Arbeitskreis zur Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein (AKENS), Kiel 2008, Seite 321-331
  • Kroener, Bernhard R.: Hindenburg, Paul, in: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Band 5, München 1997, S. 52 f.
  • Müller, Helmut M.: Schlaglichter der deutschen Geschichte, Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 402, 2. Auflage, Bonn 2003, Seite 249 f.
  • Pyta, Wolfram: Hindenburg – Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007
  • Pyta, Wolfram: Interview mit Welt online, 9. Januar 2008
  • Kieler Nachrichten vom 11. & 17. Januar 2014