Nachhaltiges Kiel

Menschenrecht ist weiblich

Ab jetzt ist es amtlich! Gewalt gegen Frauen ist kein Nischenthema mehr. Schleswig-Holstein ist das erste Bundesland, das mit der Umsetzung der sogenannten Istanbul-Konvention beginnt. Wir sind verpflichtet, daran mitzuwirken. Und Kiel kommt der Verpflichtung selbstverständlich nach. Das SDG 5 zielt darauf ab, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern und die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit zu stärken. Bis 2030 sollen alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen beendet und alle Formen von Gewalt sowie die Ausbeutung abgeschafft werden. Insbesondere sollen Kinderheirat, Früh- und Zwangsverheiratung sowie weibliche Genitalverstümmlung beseitigt werden. Ebenso soll die Bedeutung unbezahlter Pflege- und Hausarbeit anerkannt werden. Frauen sollen gleichberechtigt am politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben teilhaben können und Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit sowie den entsprechenden Rechten erhalten. Zudem sollen Frauen und Mädchen die gleichen Rechte auf Land, Eigentum und finanzielle Dienstleistungen bekommen und in der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden, um ihre Selbstbestimmung zu fördern. Politiken und Rechtsvorschriften, die die Gleichberechtigung der Geschlechter vorantreiben, sollen verabschiedet werden.

Warum ist die Stadt zuständig?

„Die Verwirklichung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein wesentliches Element der Verhütung von Gewalt gegen Frauen.“ (Präambel der Istanbul-Konvention).

Die Istanbul-Konvention macht deutlich: Ungleiche Machtverhältnisse und strukturelle Benachteiligung sind der Nährboden für Gewalt. Kiel hat sich mit dem Bekenntnis zu den UN-Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 auch dem Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ verschrieben.

Das SDG 5 zielt darauf, alle Formen der Diskriminierung von Frauen und Mädchen zu beenden. Ein spezielles Augenmerk liegt dabei auf der Aufklärung über den Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Gewalt sowie auf dem Abbau von struktureller Benachteiligung als Ursache von Gewalt gegen Frauen und Mädchen.

Das SDG 5 in Kiel

Eingerahmt wird das Engagement für SDG 5 von der Kieler Strategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention und zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen. 2023 wurde im Sozialdezernat eine Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Istanbul-Konvention eingerichtet.

Die Gleichstellung der Geschlechter in allen Belangen und die Sensibilisierung für das Thema Gewalt an Frauen und Mädchen in verschiedenen Kontexten bleiben auch in Kiel eine Daueraufgabe. Momentan wird geprüft, ob bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention Zuwendungen der Landeshauptstadt Kiel an die Bedingung geknüpft werden könnten, dass die Empfänger*innen Gewaltschutzkonzepte vorlegen. Dadurch würde der Gedanke des Gewaltschutzes weiter in die Zivilgesellschaft getragen.

Seit Anfang 2023 wird in Kiel außerdem eine stadtweite Diversity-Strategie entwickelt, die Ende 2024 fertiggestellt sein soll. Ziel ist es, den Wert von Vielfalt in der Stadtverwaltung nach innen und nach außen zu zeigen. Gleichberechtigung ist ein breites Thema. Davon zeugen die vielfältigen Initiativen der Stadt, deren Ausgestaltung auch weiterhin der Zusammenarbeit mit Kieler Akteur*innen und Betroffenen bedarf.

Workshop gendergerechte Sprache im Rathaus
Teilnehmer*innen des Workshops zur Einführung der gendergerechten Sprache im Rathaus - Foto: LH Kiel, Christiane Buhl

Das tut die Stadt – Gerechtigkeit für Frauen

Beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss jede Organisation ihren eigenen Weg und ihr eigenes Tempo finden. Hier geht die Landeshauptstadt Kiel als Arbeitgeberin mit gutem Vorbild voran.

Zwar ist nicht alles, was bereits auf dem Papier steht, auch immer schon in den Köpfen der Menschen angekommen: So muss zum Beispiel die Akzeptanz für Teilzeit und Telearbeit in der Verwaltung noch weiter wachsen. Vereinbarkeit ist ein Thema für alle Geschlechter. Es muss für uns alle darum viel normaler werden, wenn männliche Kollegen Elternzeit nehmen - auch in Führungspositionen.

Und Frauen in Führungs- und gehobenen Fachpositionen sind in der Verwaltung ebenfalls noch unterrepräsentiert. Dennoch strebt Kiel an, seinen familienfreundlichen guten Weg fortzusetzen. Und Frauen dabei zu fördern.

Fair Language – jetzt in der Kieler Stadtverwaltung

Kiel ist in seinen Bemühungen zur Gleichstellung ganz gut davor. Es könnte aber sehr viel besser sein. So wird beispielsweise eine geschlechtergerechte Sprache noch nicht konsequent genug in Berichten und Veröffentlichungen der Stadt angewandt. Einen kleinen Meilenstein legte daher im Dezember letzten Jahres der Beschluss der Kieler Ratsversammlung: die geschlechtergerechte Sprache soll Einzug in die Verwaltungssprache der Landeshauptstadt halten.

Künftig werden sämtliche Schrifterzeugnisse geschlechterumfassend formuliert oder mit dem Gender-Stern (*) versehen. Die Mitarbeitenden werden in Workshops und Schulungen für das Thema sensibilisiert. Diese Entscheidung ist eine positive Entwicklung, denn Änderungen in der Sprache ziehen stets auch Änderungen im Denken und im Bewusstsein nach sich.

Das haben wir davon – wir Kieler Frauen

Auch in Kiel ist Geschlechtergerechtigkeit ein wichtiges Thema. Die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Stadt Kiel arbeitet hier eng mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Organisationen zusammen. Eine große Herausforderung stellt das Thema Gewalt gegen Frauen dar.

Anderen Frauen helfen

Das Frauenhaus in Kiel muss erweitert werden, denn die Nachfrage schutzsuchender Frauen und Kinder nach vorübergehenden Plätzen im Frauenhaus ist sehr viel höher als das Angebot. Nicht jeder schutzbedürftigen Frau kann sofort geholfen werden. Das wollen wir ändern. Die Gleichstellungsbeauftragte stellt daher in ihrem Bericht von 2016 die grundsätzliche Frage, wie dem Thema Gewalt gegen Frauen in Kiel nachhaltig begegnet werden kann.

Frauenhaus Kiel
Viele Frauen und Kinder, die im Kieler Frauenhaus Schutz suchen, müssen wegen Platzmangel abgewiesen werden. - Quelle: Frauenhaus Kiel

Besondere Beachtung verdient das Schicksal von Migrantinnen mit Fluchthintergrund. Viele Frauen und Mädchen unter den Geflüchteten haben Gewalt erfahren müssen. Wie kann ihnen besser geholfen werden? Wo müssen Lücken im System geschlossen werden? Was kann durch bürgerschaftliches Engagement abgemildert werden?

Verschiedene Kieler Organisationen haben beispielsweise mit Hilfe der Expertise von Frauenfachreinrichtungen ein Gewaltschutzkonzept für den Schutz weiblicher Geflüchteter innerhalb von Gemeinschaftsunterkünften entwickelt, das seit Mai 2016 Anwendung findet. Andere engagieren sich für mehr Begegnung und Integration als einem möglichen Weg aus der Isolation und der Gewaltspirale. In Kiel gibt es zwei Anlaufstellen speziell für Frauen mit Fluchterfahrung:  Tio (Treff- und Informationsort für Migrantinnen) und Myriam (My Rights as a Female Migrant). Doch es gibt trotzdem noch viel zu tun für die Frauen in Kiel.

Alleinerziehende brauchen Solidarität - und konkrete Hilfen

Wichtig ist es, Alleinerziehende - meist Frauen - massiv zu unterstützen, denn sie sind im Alltag großen Belastungen ausgesetzt und sind eine besonders armutsgefährdete Gruppe. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Personenkreis ist besonders hoch. Der Anteil an langzeitarbeitslosen alleinerziehenden Frauen ist in den vergangenen Jahren in Kiel von 44 Prozent (2012) auf 51,6 Prozent (2016) dramatisch gestiegen.

Das Forum Alleinerziehende, ein Netzwerk zahlreicher Kieler Fachberatungsstellen und städtischer Ämter unter Geschäftsführung des Referates für Gleichstellung, setzt sich in Kiel für die Belange Alleinerziehender ein. Unterstützung ist hier jederzeit willkommen.

Frau und Beruf

Auch die Rückkehr ins Berufsleben ist beispielsweise oftmals schwierig für Frauen, die einige Zeit Pflege- und Hausarbeit geleistet haben. Hier unterstützt die Beratungsstelle Frau & Beruf Schleswig-Holstein, die nun schon seit 30 Jahren Frauen in Fragen zu Berufsrückkehr oder Erweiterung einer Stelle beraten. Das Frauennetzwerk zur Arbeitssituation e.V. ist ebenfalls schon viele Jahre lang in diesem Bereich aktiv.

Aktion Gewalt kommt nicht in die Tüte
Jährliche Aktion "Gewalt kommt nicht in die Tüte" beim Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. - Foto: LH Kiel, Referat für Gleichstellung

Kiel ist für Europa dabei – gegen Gewalt und für Frauenrechte

Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen“ ist am 1. Februar 2018 in Kraft getreten. Neben den weitreichenden Schutzmaßnahmen ist es vor allem der strukturelle Gewaltbegriff, der diese Konvention für Frauen so besonders macht.

Schleswig-Holstein ist das erste deutsche Bundesland, in dem diese Konvention in die Umsetzung geht. In Kiel fand zu am 25. Oktober 2018 eine Kick-off-Konferenz mit über 100 Teilnehmer*innen aus der Politik und Verwaltung sowie aus Vereinen und Verbänden statt. Mit dem „Rückenwind aus Istanbul“ wollen die Akteur*innen als Vorreiter*innen Segel für einen gesellschaftlichen Wandel setzen. Frischer Wind aus Kiel für Schleswig-Holstein - und für Frauen in ganz Deutschland und Europa.

Mehr zur Umsetzung der Istanbuler Konvention in Schleswig-Holstein findet sich hier.


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