OBERBÜRGERMEISTER*INNEN
Otto Tschadek (1904 - 1969)

Oberbürgermeister Otto Tschadek

* 31.10.1904 in Trautmannsdorf/Österreich
+ 4.2.1969 in Wien/Österreich

Amtszeit
16.2.1946 - 11.3.1946

Kommissarisch als Oberbürgermeister eingesetzt

Otto Tschadek wurde am 31. Oktober 1904 als Sohn eines Oberlehrers in Trautmannsdorf an der Leitha in Österreich geboren. 1916 trat er in die damalige k. und k. Militärschule Bruck ein, um Berufsoffizier zu werden. Der Zusammenbruch der Monarchie 1918 beendete diese Laufbahn. Tschadek setzte seine Ausbildung in der Bundeserziehungsanstalt Breitensee fort. Nach dem Abitur 1923 studierte er zunächst einige Semester Staatswissenschaften und wandte sich dann dem Studium der Rechte zu.

Außerdem engagierte er sich in der sozialistischen Studentenbewegung. Seine politische Tätigkeit führte zu einer Verweisung von der Universität Wien, so dass er sein Studium in Graz fortsetzte und 1930 mit der Promotion zum Dr. jur. abschloss.

Von 1930 bis 1934 war Tschadek als Gemeindeamtsleiter in Mannersdorf am Leithaberg tätig. In dieser Zeit war er auch Funktionär der Sozialdemokratischen Partei in Niederösterreich.

Als unter der Regierung Dollfuß 1934 die SPÖ verboten und die Verhaftung aller ihrer Abgeordneten und Vertrauensmänner angeordnet wurde, wurde auch Tschadek verhaftet und sieben Monate im Lager Wöllersdorf interniert. Außerdem erfolgte die fristlose Entlassung aus seinem Amt. Nach seiner Haftzeit entschloss sich Tschadek, Rechtsanwalt zu werden.

1939, einen Tag vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, legte er seine Rechtsanwaltsprüfung mit Auszeichnung ab. Die Eintragung in die Liste der Anwälte wurde ihm jedoch verwehrt, da er nicht Mitglied des NS-Rechtswahrerbundes war. So begann Tschadek ein Medizinstudium, bis er 1940 zur deutschen Kriegsmarine nach Stralsund eingezogen wurde.

 


Marinerichter in der NS-Justiz

Wenige Wochen diente Otto Tschadek als Matrose, dann wurde er Marine-Hilfsgerichtsrat, zuletzt Oberstabsrichter. Zugewiesen war er dem Marinegericht Kiel. 1953 berichtete er bei einem Besuch in Kiel: „In den fünf Jahren meiner richterlichen Tätigkeit hatte ich viel Gelegenheit politisches Unheil zu verhindern und manche harten Urteile wegen 'Zersetzung der Wehrkraft' abzubiegen. Daher war ich bei den Verteidigern, aber auch bei den zahlreichen Soldaten und den Arbeitern der Kieler Werft in kurzer Zeit sehr bekannt geworden. Die Abwehr eines Todesurteiles gegen einen katholischen Geistlichen hatte mit überdies die Sympathie der Kirche eingetragen.“

Diese Darstellung Tschadeks ist einseitig, wie jüngere Forschungen von Thomas Geldmacher zeigen. Zwar stimmt es, dass er zum Beispiel in Fällen von „Wehrkraftzersetzung“ im Vergleich zu anderen Richtern milde Urteile fällte. Auch in einem Verfahren wegen Desertation verurteilte Tschadek einen Angeschuldigten nur zu zwei Jahren Zuchthaus. Dieses Urteil wurde aufgehoben und in eine Zuchthausstrafe von sechs Jahren umgewandelt.

Durch neuere Untersuchungen ist aber bewiesen, dass Tschadek auch Todesurteile fällte. 1942 verurteilte er zum Beispiel den Matrosengefreiten Stabenow wegen Fahnenflucht und Betruges zum Tode. Stabenow wurde erschossen. Gegen den Obermaat Heinrich Laurin verhängte Tschadek 1944 ebenfalls die Todesstrafe. Der Chef der Marinejustiz milderte das Urteil in eine zwölfjährige Zuchthausstrafe ab. Die hier aufgezeigten Fälle „vermitteln ... ein durchaus ambivalentes Bild der Spruchpraxis Tschadeks“ (Thomas Geldmacher, Seite 218).

 


Kurzzeitig Oberbürgermeister

Nach dem Krieg fragten die Briten Tschadek, ob er mit dem gerade ernannten Oberbürgermeister Max Emcke die Aufbauarbeiten in Kiel übernehmen wolle. Tschadek wäre lieber nach Österreich zurückgekehrt. Aber die Briten stellten ihn vor die Wahl, entweder Mitarbeit im Kieler Rathaus oder Gefangenenlager. So nahm er den Antrag an, erhielt den Titel eines Stadtrates und übernahm die Leitung des Kriegsschädenamtes. Im Juli 1945 wurde Tschadek zum Kieler Bürgermeister ernannt.

Zusammen mit Emcke sorgte er dafür, dass die wichtigsten städtischen Versorgungseinrichtungen in kurzer Zeit wieder funktionierten. Notunterkünfte wurden für den Winter eingerichtet, Torf zum Heizen gestochen. Im Oktober 1945 konnte das weniger zerstörte Schauspielhaus den Theaterbetrieb wieder aufnehmen und im November 1945 auch die Universität ihren Lehrbetrieb, allerdings in Gebäuden der Elac und auf Wohnschiffen.

Tschadek war auch an der Gründungsversammlung der SPD in Kiel und anderen Städten Schleswig-Holsteins beteiligt und war Mitglied des SPD Landesvorstandes. Als auch andere Parteien entstanden waren, ersuchte Tschadek den Stadtkommandanten, eine provisorische Stadtvertretung zu berufen, damit Oberbürgermeister und Bürgermeister ihre Amtsgeschäfte im Einvernehmen mit der Kieler Bevölkerung führen könnten. Der Wunsch wurde erfüllt und eine 40-köpfige Stadtvertretung ernannt.

Als Oberbürgermeister Max Emcke „auf Anraten der Kontrollkommission für Deutschland“ im Februar 1946 aus seinem Amt ausschied, wurde Tschadek sein Nachfolger. Noch während er in Kiel als Oberbürgermeister amtierte, wählten ihn die Österreicher ohne sein Wissen am 25. November 1945 als Kandidat der Sozialistischen Partei im Wahlkreis Wiener Neustadt in den Nationalrat. Die Nachfolge von Tschadek musste geregelt werden. Die provisorische Stadtvertretung wählte am 11. März 1946 Willi Koch (CDU) zum Oberbürgermeister und Andreas Gayk (SPD) zum Bürgermeister. Die Amtsgeschäfte führte Tschadek mit beiden noch bis zum 11. März 1946.

Die Stadtvertretung verlieh ihm das „ständige Bürgerrecht“ wegen seiner Verdienste beim Wiederaufbau der Stadt und der Einrichtung einer demokratischen Selbstverwaltung.

 


Politische Karriere in Österreich

Nach seiner Rückkehr nach Österreich nahm Tschadek seine Rechtsanwaltstätigkeit in Wiener Neustadt auf und war gleichzeitig Abgeordneter des Nationalrates. Von 1949 bis 1952 und von 1956 bis 1960 war er österreichischer Justizminister. Anschließend übernahm er einen Posten als Landrat und war Stellvertreter des Landeshauptmanns von Niederösterreich. Gleichzeitig war er als Obmann des sozialistischen Landesklubs tätig.

Tschadek war ferner Mitglied des Parteivorstandes der SPÖ und stellvertretender Landesparteiobmann der SPÖ Niederösterreichs und seit 1945 ununterbrochen Abgeordneter des Nationalrates. Tschadek erhielt wegen seiner politischen Arbeit hohe Auszeichnungen, unter anderem das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich und das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Otto Tschadek starb am 4. Februar 1969 in Wien.


Text: Christa Geckeler


Literatur & Zeitungen

  • Aglas, Erwin H.: Die zweite österreichische Republik und ihre Repräsentanten, Wien-Linz 1960
  • Geldmacher, Thomas: Der gute Mensch von Kiel? Marinerichter Otto Tschadek (1904-1969), in: Thomas Goldmacher, Magnus Koch, Hannes Metzler, Peter Pirker, Lisa Rettl (Hg.): „Da machen wir nicht mehr mit...“. Österreichische Soldaten und Zivilisten vor Gerichten der Wehrmacht, Wien 2010, Seite 215-227
  • Munziger- Archiv / Internationales Biographisches Archiv, 8. März 1969, Lieferung 10/69
  • Tschadek, Otto: Erlebtes und Erkanntes, Wiener Neustadt, o. J.
  • Kieler Nachrichten vom 23. September 2010
  • Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung vom 24. Juni 1953

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