OBERBÜRGERMEISTER*INNEN
Walter Behrens (1889 - 1977)

Oberbürgermeister Walter Behrens

* 19.4.1889 in Hamburg
+ 12.11.1977 in Friedrichstadt

Amtszeit
11.3.1933 - 14.5.1945

Walter Ernst Hartwig Behrens wurde am 19. April 1889 in Hamburg geboren. Er besuchte die Oberrealschule, die er 1908 mit dem Abitur abschloss. Danach begann Walter Behrens eine Lehre bei der „Commerz- und Diskontobank“ und hörte daneben am „Hamburger Seminar“ Vorlesungen zur Finanz- und Volkswirtschaft. Nach beendeter Lehrzeit verbrachte Behrens ein Jahr in Paris.

Als er zurückkehrte, trat er als Prokurist und 1914 als Teilhaber in die Großhandelsfirma seines Stiefvaters in Kiel ein. Gleichzeitig hörte er einige Semester Vorlesungen in Staats-, Finanz- und Rechtswissenschaften an der Kieler Universität, ohne jedoch ein Abschlussexamen zu machen. 1924 übernahm Walter Behrens die Firma seines Stiefvaters als Alleininhaber.

 


Walter Behrens: Führungsfigur der Kieler Nationalsozialisten

Am 5. Dezember 1930, als er bereits 41 Jahre alt war, trat Behrens in die NSDAP ein. Innerhalb kurzer Zeit bekleidete er wichtige NS-Posten in Kiel. Anfang 1931 leitete er den Parteibezirk Ellerbek-Wellingdorf, ab Oktober die Ortsgruppe Ostufer.

Bereits im Mai 1931 wurde Behrens zum Vorsitzenden des Kreis-Untersuchungs- und Schlichtungsausschusses des Parteigerichts berufen und 1932 zum Kreisleiter in Schleswig-Holstein ernannt. Seine rasante politische Karriere innerhalb von nur knapp zwei Jahren war ungewöhnlich. Zu vermuten ist, dass die Partei in Walter Behrens ein Mitglied sah, das in Kiel als Geschäftsmann bekannt war und als „Führungsfigur“ der NSDAP „auch für bürgerliche Kreise annehmbar schien“ (Sebastian Lehmann).

Nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, ergab sich für die Kieler Nationalsozialisten die Perspektive, auch in der Arbeiterstadt Kiel die Macht zu übernehmen und die demokratischen Kräfte aus der Stadtspitze zu verdrängen.

Am 5. März 1933 fanden Reichstagswahlen und am 12. März Landtags- und Kommunalwahlen in Preußen statt. Die NSDAP bekam am 5. März 1933 mit 43,9 Prozent nicht die gewünschte absolute Mehrheit. So wurde in der Woche bis zum 12. März der Druck und Terror auf die Bevölkerung verstärkt. Am Morgen des 6. März wurde auf dem Kieler Rathaus und dem Stadttheater die Hakenkreuzfahne gehisst.

 


Nationalsozialisten ergreifen die Macht im Rathaus

Der bürgerliche Oberbürgermeister Lueken sah sich heftigen nationalsozialistischen Angriffen ausgesetzt. Die Nationalsozialisten erwirkten am 10. März beim Regierungspräsidenten die Ablösung Luekens aus seinem Amt. Am Morgen des 11. März 1933 marschierten SA- und SS-Kolonnen vor das Rathaus. NSDAP-Kreisleiter Walter Behrens drang mit anderen NSDAP-Mitgliedern ins Rathaus ein, verkündete, dass er das Amt des Oberbürgermeisters übernommen habe, die Besetzung des Rathauses legal sei und die Beamten ihre Arbeit wieder aufnehmen sollten.

Im Verwaltungsbericht der Stadt hieß es dazu: „Die volks- und staatsschädigenden Elemente wurden unverzüglich aus dem Magistrat entfernt“. Behrens wurde zum Staatskommissar ernannt und am 28. April 1933 von der Stadtverordnetenversammlung durch Zuruf zum Oberbürgermeister „gewählt“. Durch Gesetz von Dezember 1933 und April 1935 gab es die Stadtkollegien in ihrer alten Form nicht mehr. Der Oberbürgermeister, der alleinige Chef der Kommune, und die Stadträte wurden nicht mehr gewählt, sondern eingesetzt. Sie waren vom Vertrauen der Partei abhängig und unterstanden der Kontrolle des Gauleiters.

Die tägliche Arbeit des Kreisleiters gab Behrens an den Kreisgeschäftsführer Otto Ziegenbein ab, weil er sich ganz auf die Aufgaben des Oberbürgermeisters konzentrierte. Offiziell schied Behrens im September 1937 aus dem Amt des Kreisleiters aus, denn Rudolf Heß hatte verfügt, die Personalunion von Kreisleitern und Ämtern von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten aufzulösen. Behrens wurde nun aber Mitglied der NSDAP-Gauleitung.

 


Das Rathaus im Dienst des Nationalsozialismus

Die Zusammenarbeit zwischen Kreisleitung und Stadtverwaltung war eng. Zusammen mit Otto Ziegenbein, seinem Nachfolger als Kreisleiter, war er an der Verfolgung unangepasster und regimekritischer Menschen in Kiel beteiligt. An der Ermordung des Rechtsanwalts Wilhelm Spiegel durch Nationalsozialisten hatte Behrens nicht mitgewirkt, allerdings die Täter geschützt. Für die Entfernung des „Geistkämpfers“ von Ernst Barlach aus dem Kieler Stadtbild setzte sich Behrens aktiv ein. Die Plastik wurde 1937 von der Heiligengeistkirche ins Thaulow-Museum geschafft, dann bot der Oberbürgermeister der Reichskammer die Plastik zur Verschrottung an. Auf verschlungenen Wegen konnte sie gerettet werden.

Während der Amtszeit von Behrens stieg die Bevölkerungszahl Kiels bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges stetig an. Lebten 1933 219.640 Menschen in der Stadt, so waren es 1939 schon 265.443. Das bedeutete eine jährliche Steigerungsrate von 3,6 Prozent. Menschen strömten nach Kiel. Hier wurden Arbeitskräfte gebraucht, denn Hitler bereitete den Krieg vor und rüstete auf. Dazu gehörte auch ein umfangreiches Flottenprogramm. Kiel wurde wieder Reichskriegshafen. Werften, ihre Zulieferbetriebe und die Marine spielten wiederum die entscheidende Rolle in der Stadt.

Wichtig wurde es, der wachsenden Zahl der Bewohner genügend Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Baulücken und freie Flächen in der Stadt wurden bebaut. Die Marine, Baugenossenschaften und Werkswohnungsgesellschaften waren die Auftraggeber. Die Stadtplanung, die die Vorgaben festlegte, orientierte sich dabei vorwiegend an den Leitideen, die für Kiel während der Weimarer Republik gegolten hatten. Das Stadtbild veränderte sich daher nicht wesentlich.

Die Stadt selber trat auch als Bauherr auf. So wurde das Lessingbad als erste Schwimmhalle errichtet, die Kieler Spar- und Leihkasse, der Schlachthof an der Hörn und das Altersheim am Hohenzollernring (heute Westring) erweitert. Pläne zu Umgestaltung der Altstadt und des Schlossbereiches sowie eine neue, großzügige Verkehrsführung unterblieben wegen der Kriegsvorbereitungen. Lediglich die Straßen, die in die Außenbezirke führten, die Feldstraße, die Holtenauer Straße und Preetzer Chaussee, wurden ausgebaut. Mit Kriegsbeginn musste die Stadt dann für Schutzmaßnahmen bei Luftangriffen sorgen. Hochbunker, Tiefbunker und Luftschutzstollen entstanden.

 


Absetzung & Internierung

Am 4. Mai 1945 wurde Kiel kampflos an die Briten übergeben, Oberbürgermeister Behrens am 14. Mai verhaftet. Er kam ins Internierungslager und musste sich anschließend vor einem britischen Spruchgericht verantworten. Er leugnete, von nationalsozialistischen Verbrechen gewusst zu haben, oder behauptete, nicht zuständig gewesen zu sein. Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass man Behrens keine „grausamen und unmenschlichen Handlungen“ nachweisen könne, er aber die Wahrheit zurückgehalten habe.

Das Gericht verhängte eine Strafe von neun Monaten, die durch die Internierungszeit als verbüßt galten. Im Entnazifizierungsverfahren kam Behrens in die Kategorie III, die höchste Stufe. Durch spätere Umstufung wurde Behrens, einer der führenden Nationalsozialisten in Kiel, als Mitläufer klassifiziert.

Seit 1950 erhielt er dann seine beachtliche Pension in voller Höhe. Behrens arbeitete wieder in seiner Großhandelsfirma, bis er 1971 nach Friedrichstadt zog, wo er am 12. November 1977 starb.


Text: Christa Geckeler


Literatur & Zeitungen

  • Akte Nr. 47575: Personal- und Versorgungsakte Oberbürgermeister a. D. Walter Behrens, Stadtarchiv Kiel
  • Verwaltungsbericht der Stadt Kiel, 1. Januar 1933 bis 31. März 1938, Seite 5
  • Hupp, Klaus: Der Kieler Geistkämpfer von Ernst Barlach, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 73, 1989, Seite 214 f., Seite 218 f.
  • Kiel im Nationalsozialismus. Materialien und Dokumente, Veröffentlichung des Arbeitskreis Asche-Prozess, Kiel 1994, Seite 18 f.
  • Lehmann, Sebastian: Kreisleiter und Parteiorganisation der NSDAP in Kiel, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 84, 2008, Seite 115-152
  • Salewski, Michael: Kiel im März 1933, Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 68, 1983, Heft 9/10
  • Wulf, Peter: Die Stadt in nationalsozialistischer Zeit (1933 bis 1945), in: Geschichte der Stadt Kiel, Neumünster 1991, Seite 359-379, Seite 397
  • Kieler Nachrichten vom 28. Juni 2007
  • Kieler Zeitung vom 15. März 1933, vom 29. April 1933

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