Berthold Beitz (1913 - 2013)

Industrieller

* 26.09.1913 Zemmin/Vorpommern
† 30.07.2013 Kampen/Sylt

Verleihung am 12.02.2004 


Berthold Beitz wurde am 26. September 1913 in Zemmin/Vorpommern geboren. 1925 wurde sein Vater in die Filiale der Reichsbank nach Greifswald versetzt. Dort besuchte Beitz das Gymnasium und legte 1934 das Abitur ab.

Danach folgten eine Banklehre bei der Zentrale der Pommerschen Bank in Stralsund, 1937 eine Beschäftigung bei der Bank in Stettin und der Aufstieg zum stellvertretenden Filialleiter in Demmin. Aber das Leben in der Kleinstadt war für Beitz zu eng. Er wollte raus, die Welt sehen, Karriere machen.

Daher bewarb er sich bei mehreren Hamburger Firmen und wechselte 1938 zu den Rhenania Ossag Mineralölwerken in Hamburg, ein Unternehmen der Ölgesellschaft Royal Dutch Shell. Hier arbeitete er als kaufmännischer Angestellter in der Revisionsabteilung der Deutschen Shell.
 


Vertreter der Shell in Polen - Rettung von Juden

Nach der Eroberung Polens 1939 durch Deutschland schlug der Personalchef der Shell dem Oberkommandierenden des Heeres vor, den charmanten und durchsetzungsfähigen Beitz als Vertreter der Shell-Firma in Polen einzusetzen, um das für den Krieg notwendige Erdöl auszubeuten.

Zunächst arbeitete Beitz 1939 in Jasło am Rande der Karpaten und wurde dann 1941 Leiter der Karpaten-Öl AG in Boryslaw, dem bedeutendsten deutschen Erdölgebiet während des Krieges. Hier arbeiteten viele jüdische Beschäftigte, die zunehmend dem Terror und der Ermordung durch die Nationalsozialisten ausgesetzt waren.

Beitz errichtete auf dem Firmengelände ein Lager, wo mehr als 1400 Juden, zum Teil mit ihren Angehörigen, in relativer Sicherheit lebten. Juden, die schon in den Zügen zu den Vernichtungslagern saßen, rettete er mit der Begründung, sie seien für die kriegswichtige Erdölindustrie unabkömmlich. Für seinen mutigen Einsatz und seine Hilfe für die Juden zeichnete der Staat Israel Beitz 1973 mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ aus. Auch seine Frau erhielt diese Anerkennung.

1944 wurde Beitz zum Wehrdienst einberufen, kämpfte an der Ostfront, geriet 1945 in russische Gefangenschaft, konnte fliehen, kämpfte in den letzten Kriegstagen in Oberfranken und gelangte bei Kriegsende nach Hamburg.
 


Generalbevollmächtigter des Krupp-Konzerns

1946 wurde Beitz durch die Briten zum Vizepräsidenten des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen in Hamburg ernannt. 1949 wechselte er als Generaldirektor zur Versicherungsgesellschaft Iduna-Germania in Hamburg, die unter seiner Führung einen schnellen Aufschwung nahm.

1952 traf Beitz zufällig Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Alleininhaber der Firma Krupp, der bis 1951 als Kriegsverbrecher in einer Haftanstalt gesessen hatte. Er konnte Beitz 1953 als Generalbevollmächtigen für die Firma gewinnen, deren Anlagen zum größten Teil noch zerstört waren. Bis 1967 leitete Beitz den Konzern, baute ihn wieder auf, konnte Erfolge aufweisen, ihn aber nicht in den 1960er Jahren vor der Kohle- und Stahlkrise retten.

1966 verzichte der Sohn Arndt von Bohlen und Halbach auf das väterliche Erbe. Alfried Krupps gesamtes Vermögen wurde in eine Stiftung umgewandelt, die die Einheit des Unternehmens erhalten und die Erträge zu gemeinnützigen Zwecken verwenden sollte. Als Alfried Krupp 1967 starb, wurde Beitz Testamentsvollstrecker und Vorsitzender des Kuratoriums der gemeinnützigen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.

Diese Position bekleidete er bis zu seinem Tod, nahm täglich seine Arbeit als Stiftungsvorsitzender wahr. 1992 verschmolz das Unternehmen mit Hoesch und 1999 mit Thyssen. Beitz wurde zum Ehrenvorsitzenden der Thyssen Krupp AG gewählt.
 


Vorsitz der Alfried Krupp von Bohlen & Halbach-Stiftung

Als die Thyssen Krupp AG entstand, war die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung größter Einzelaktionär und ist seit 2008 mit einem Anteil von 25, 33% am Grundkapital beteiligt. 2012 erhielt die Stiftung aus dem Unternehmen 59 Mio. Euro aus Dividenden. Mit diesem Geld werden Projekte der Wissenschaft in Forschung und Lehre, des Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitswesens, der Völkerverständigung, des Sports, der Literatur, Musik und bildenden Kunst gefördert.

Seit ihrer Gründung hat die Stiftung mit 615 Mio. Euro gemeinnützige Projekte unterstützt. Regionale Schwerpunkte sind Essen, das Ruhrgebiet und die Universität Greifswald. So gingen finanzielle Mittel z. B. in den Erhalt der Villa Hügel in Essen, in Unterhalt und Ausstattung des Alfried Krupp Krankenhauses in Essen, in den Wiederaufbau des Essener Folkwang-Museums, in das Wissenschaftskolleg in Greifswald, zur Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden in das Weizman Institute of Science und in die Hebräische Universität Jerusalem.
 


Ein Förderer Kiels

Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Firma Krupp engen Kontakt zu Kiel. 1896 kaufte sie die Germaniawerft in Gaarden, auf der Kriegs-und Handelsschiffe gebaut wurden. Am Ostring entstand bis 1918 die damals vorbildliche Kruppsiedlung für die Beschäftigten der Werft. Seit 2005 gehört HDW zum Werftenverbund der Thyssen Krupp AG.

Verbindungen Krupps zu Kiel gab es auch im Segelsport. Alfried Krupp war ein begeisterter Segler, der bei den Olympischen Segelwettbewerben 1936 mit der Mannschaft von Germania III die Bronzemedaille gewann. Die Germania IV, die letzte Segelyacht, die Alfried Krupp bauen ließ, hatte Kiel als Heimathafen und führte den Stander des Kieler Yacht Clubs (KYC).

Durch Alfried Krupp entwickelte auch Berthold Beitz eine persönliche Beziehung zu Kiel. Er selbst hatte sich in seiner Jugend für das Rudern und Segeln begeistert. Regelmäßig war er zu Gast auf der Kieler Woche. Von 1972 bis zu seinem Tod war er Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee Deutschlands und von 1972 bis 1988 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees, von 1984 bis 1988 dessen Vizepräsident und seit 1988 Ehrenmitglied.

Von 1966 bis 1972 gehörte Beitz zum Organisationskomitee für die Olymischen Spiele 1972. Travemünde und Kiel bewarben sich als Austragungsort für die Segelwettbewerbe. Beitz votierte für Kiel. Seine Stimme im Vergabeausschuss brachte die Entscheidung. Zwei der fünf Mitgliedsstimmen sprachen sich für Travemünde, drei für Kiel aus. Das bedeutete für die Stadt große Investitionen, die es sonst nicht gegeben hätte: u. a. die Olympiabauten in Schilksee, 700 neue Segelboot-Liegeplätze, die zweite Hochbrücke in Holtenau, die Anbindung Kiels an das Autobahnnetz.

Beitz war auch Förderer des Kieler Yacht Clubs. Als dieser finanzielle Schwierigkeiten hatte, kaufte die Krupp-Stiftung im Jahr 2007 Betten- und Clubhaus und überließ sie dem Verein zur Dauermiete. Das Gebäude wurde in Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Haus umbenannt Auf dem Strander Gelände des KYC entstand ein Jugend- und Clubheim. U. a. unterstützte die Stiftung die Sanierung des Gebäudes Falkenhorst am Falckensteiner Strand mit 250 000 Euro. Damit erhielten junge Sozialhilfeempfänger die Möglichkeit, im Gaststättengewerbe eine Ausbildung zu erhalten und sich eine berufliche Existenz aufzubauen.
Wegen seiner Verdienste um Kiel beschloss die Ratsversammlung am 18. September 2003 einstimmig, Berthold Beitz zum Ehrenbürger der Stadt zu ernennen. Die Verleihung fand am 12. Februar 2004 statt.

Beitz wurden in seinem Leben eine Vielzahl von Ehrungen zuteil. U. a. erhielt er das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, den Leo-Baeck-Preis des Zentralrates der Juden, den Professorentitel des Landes Nordrhein-Westfalen, diverse Doktortitel, unter anderem den der Universität Greifswald. Ehrenbürger war Beitz außer in Kiel in den Städten Greifswald, Bochum, Essen.

Berthold Beitz starb am 30. Juli 2013 in Kampen/Sylt, wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag.

 

Text: Christa Geckeler


Literatur & Zeitungen

  • Büro des Stadtpräsidenten: Akte 001.03.1: Ehrenbürger Prof. Dr. Berthold Beitz
  • Käppner, Joachim: Berthold Beitz. Die Biographie, Berlin 2010
  • Kieler Nachrichten vom 26. September 1998, vom 20. September 2003, vom 13. Februar2004, vom 26. September 2008, vom 1. August 2013, vom 2. August 2013, vom 3. August 2013
  • Kieler Express vom 27. September 2003, vom 14. Februar 2004