EHRENBÜRGER*INNEN VON KIEL
Friedrich von Esmarch
(1823 - 1908)

Friedrich von Esmarch | Abbildung Stadtarchiv Kiel, Sammlung 436

Professor der Chirurgie & Augenheilkunde

* 09.01.1823 Tönning
23.02.1908 Kiel

Verleihung am 19.12.1902

Johann Friedrich August Esmarch wurde am 9. Januar 1823 in Tönning als Sohn eines Arztes geboren. Da sein Vater mehrmals den Arbeitsplatz wechselte, besuchte Esmarch zunächst in Rendburg, dann in Flensburg die Gelehrtenschule. Er war wenig fleißig und hatte die gesamte Schulzeit schlechte Noten. Ein Jahr vor dem Abitur musste er sogar die Klasse wiederholen.

1843 begann Esmarch das Studium der Medizin in Kiel, diesem widmete er sich aber mit viel Fleiß und Energie. Nach vier Semestern wechselte er nach Göttingen, kehrte aber 1846 nach Kiel zurück und wurde Assistent bei Bernhard von Langenbeck, bei einem der bedeutendsten deutschen Chirurgen. 1848 promovierte und habilitierte sich Esmarch bei Langenbecks Nachfolger, dem ebenfalls bedeutenden Louis Stromeyer.
 


Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in Kiel

1848 machte Esmarch als Arzt den Krieg gegen Dänemark als Mitglied des schleswig-holsteinischen Turnerkorps mit, wurde im Gefecht bei Bau gefangen genommen und mehrere Wochen in dänischer Gefangenschaft gehalten. In den Feldzügen 1849/50 war Esmarch als Adjutant Stromeyers, der Generalstabsarzt der schleswig-holsteinischen Armee war, in Lazaretten tätig.

Nach einer längeren Studienreise, die ihn nach Leipzig, Prag, Wien und Paris führte, kehrte Esmarch nach Kiel zurück und wurde 1854 als Nachfolger Stromeyers, dessen Schwiegersohn er inzwischen war, mit 31 Jahren Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in Kiel. In dieser Stellung blieb er 44 Jahre bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1898.
 


Kriegs- und Unfallchirurgie: Neuerungen durch Esmarch

Zu Esmarchs Lebzeiten gab es in der Chirurgie einige entscheidende Erfindungen, zum Beispiel die Narkose und die Bekämpfung der Wundinfektion. Während in den früheren Jahren die Chirurgie mehr eine heilende als eine operative war, bahnte sich in jener Zeit allmählich die Chirurgie der Operation bei jenen Patienten an, denen mit konservativen inneren Mitteln nicht geholfen werden konnte.

Die Kriege 1848, 1864, 1866 und 1870/1 wurden für Esmarch wichtige Lehrmeister. In den Anfängen stand er vor dem trostlosen Zustand der damaligen Kriegschirurgie, die wegen der großen Wundinfektionsgefahr aus Amputationen bestand. Nur so meinte man, Infektionen verhindern zu können. 

Durch seine Lehrer Langenbeck und Stromeyer lernte Esmarch, dass durch Ausschneiden (Resektion) zertrümmerter Knochen und Gelenke bei Schussverletzungen die Extremitäten erhalten werden konnten und die Methode sogar zur Heilung führte. Wichtig für den Transport der Verwundeten war, dass die Gliedmaßen vollständig bewegungsunfähig gemacht wurden. Zur ersten Hilfe führte Esmarch erstmalig das Verbandspäckchen und das Dreieckstuch für die Soldaten ein, heute eine Selbstverständlichkeit in jedem Verbandskoffer.

Die Erfahrungen in den Feldzügen fasste Esmarch in mehreren Schriften zusammen. 1877 erschien sein „Handbuch der kriegschirurgischen Technik“. Auf dem Chirurgenkongress 1878 formulierte Esmarch seine Leitsätze: „Primum non nocere, vor allem nicht schaden! Untersuche die Wunde lieber gar nicht, als mit den unreinen Fingern; reinigt die Wunden lieber gar nicht, als mit unreiner Watte und Schwamm; verbindet lieber gar nicht, als mit unreinen Verbandsstoffen. Die meisten Schusswunden heilen, wenn wir sie nicht irgendwie schädigen, ohne unser Zutun am besten.“

Esmarchs Tätigkeit als Chirurg konzentrierte sich nur z. T. auf die Kriegschirurgie, denn seine Hauptarbeit fand in der Chirurgischen Universitätsklinik Kiel statt. Hier waren es drei Probleme, die er zu bewältigen versuchte: die Schmerzen, die durch die Operation entstanden, die Lebensgefahr, die durch die Infektion der Wunden verursacht wurden, und der Blutverlust bei Operationen.

Seit 1846 war die Äthernarkose in England und seit 1847 die Chloroformnarkose aus Amerika bekannt. Esmarch machte von der Schmerzbetäubung regen Gebrauch und vereinfachte das Instrumentarium. Für die Narkose konstruierte er ein Chloroformgerät und entwickelte den „Esmarchschen Handgriff“, der verhindern soll, dass der Zungengrund zur Verstopfung der Atemwege führt.

Zur Bekämpfung der Wundinfektion behandelte er seine Patienten mit verdünnter Salzsäure. Dann entwickelte der englische Chirurg Joseph Lister die antiseptische Wundbehandlung. Esmarch fuhr nach Edinburgh, um bei ihm die Einzelheiten des neuen, komplizierten Verfahrens kennen zu lernen. Schon nach kurzer Zeit ging er daran, die Methode zu modifizieren und weiterzuentwickeln. Eine bedeutende Leistung des Chirurgen ist die „Esmarchsche Blutleere“ bei Operationen an den Extremitäten.

Dieses erstmals 1873 der Fachwelt vorgestellte Verfahren ermöglichte chirurgische Eingriffe unter geringen Blutverlusten, indem man mit einer elastischen Gummibinde den Körperteil zunächst blutleer macht und für eine bestimmte Zeit von weiterer Blutzufuhr abschnürt. Zur Behandlung von Prellungen und Abszessen benutzte Esmarch zur Kühlung Eisbeutel. In studentischen Kreisen trug er daher den Spitznamen „Fiete Isbüdel“.

 

Samariterschule in Kiel

Auf einem Ärztekongress hatte Esmarch 1881 von Samariterschulen in England erfahren, auf denen freiwillige Laienhelfer für den Sanitätsdienst ausgebildet wurden. Esmarch, der in den Kriegen erlebt hatte, dass bei den vielen Verwundeten die ausgebildeten Kräfte nicht ausreichten, eröffnete am 4. Februar 1882 eine Samariterschule in Kiel zur Ausbildung von Laienhelfern und gründete am 5. März 1882 in Kiel den ersten deutschen Samariterverein.

Sein Leitfaden „Die erste Hülfte bei plötzlichen Unglücksfällen“ wurde in fast 30 Sprachen übersetzt. Esmarch gab mit der Samariterschule und dem Samariterverein den entscheiden Anstoß zum Aufbau von Unfall- und Krankenhilfsdiensten in den anderen deutschen Städten, in denen ebenfalls Samaritervereine entstanden. 1896 schlossen sich diese zum Deutschen Samariter Bund zusammen, der 1937 dem Roten Kreuz angegliedert und 1945 als Arbeiter-Samariter-Bund neu eingerichtet wurde.
 


Esmarch: Beliebt & Populär

Nachdem Esmarchs erste Frau Anna Stromeyer 1870 gestorben war, heirate er zwei Jahre später Henriette Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, eine Tante der Kaiserin Augusta. Durch diese Verbindung zum Kaiserhaus änderte sich Esmarchs gesellschaftliche Stellung beträchtlich. 1887 wurde er in den erblichen Adelstand erhoben, 1897 erhielt er den Titel Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz.

Der gesellschaftliche Ehrgeiz seiner Gattin brachte Esmarch Auseinandersetzungen mit seinem Assistenten Gustav Adolf Neuber und mit seinem Kollgen Professor Heinrich Quincke. Einerseits ging es um ein neues antiseptisches Verfahren in der Wundbehandlung, zum anderen um die Dienstvilla, die Esmarch nicht zugunsten eines Neubaus der Medizinischen Klinik räumen wollte.

Diese Auseinandersetzungen überschatteten Esmarchs Alter und führten zur Entfremdung von der Fakultät und der breiten Öffentlichkeit. In Schleswig-Holstein aber blieb Esmarch der verehrte Chirurg, der viele Ehrungen erhalten hatte.

Zu einem 80. Geburtstag am 9. Januar 1903 verlieh ihm die Stadt Kiel das Ehrenbürgerrecht mit folgender Begründung: „Es unterliegt keinem Zweifel, dass der berühmte Arzt und Gelehrte durch seinen Namen auch der Stadt Kiel als der Heimatstadt seiner Wahl Ruhm und Ehre bereitet und dass er sich demnach um unsere Stadt besonders verdient gemacht hat.“

Als Esmarch am 23. Februar 1908 verstarb, zeigte sich noch einmal seine große Beliebheit. Am Tage seiner Beisetzung hatten alle öffentlichen Gebäude Halbmast geflaggt. Er wurde auf dem Friedhof Eichhof am Hauptweg in einem Grabmal beigesetzt, das keinen Namen trägt, sondern nur die Inschrift: „Selig sind die Barmherzigen“.


Text: Christa Geckeler


Literatur & Zeitungen

  • Stadtarchiv Kiel Akte Nr. 9230: Verleihung der Ehrenbürgerschaft an den Wirklichen Geheimen Rat Prof. Dr. von Esmarch in Anlass seines 80. Geburtstages
  • Anschütz, Willy: Friedrich von Esmarch zum Gedächtnis. Rede zur Gedächtnisfeier der Universität Kiel, gehalten am 24. Februar 1909, in: Chronik der Universität Kiel für das Jahr 1908/09, Kiel 1909, Seite 73-87
  • Große Forscher von der Förde. Friedrich von Esmarch, in: Unizeit, No 28 vom 5. Februar 2005
  • Lorenzen-Schmidt, Klaus-Joachim und Hartwig Molzow: Esmarch, Johann Friedrich Ausgust, in: Hans-F. Rothert: Kieler Lebensläufe aus sechs Jahrhunderten, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 55, Neumünster 2006, Seite 85-87
  • Wedemeyer, Manfred: „Fiete Isbüdel“ – Friedrich von Esmarch. Der Chirurg in Schleswig-Holstein, in: Schleswig-Holstein 9/2003, Seite 14f.
  • Kieler Express vom 24. Februar 1983
  • Kieler Nachrichten vom 23. Februar 1958, vom 8. Januar 1973, vom 12. Juni 1980
  • Kieler Zeitung vom 5. Februar 1882, vom 25.-27. Februar 1908, vom 5. März 1908